Studentenführer Wang Dan in Peking inhaftiert

■ Verhaftungswelle gegen chinesische Intellektuelle forderte weitere Opfer / US-Regierung: Li Peng ist „konstruktiv“

Hongkong/Berlin (taz/afp/dpa) - Der bekannte chinesische Studentenführer Wang Dan ist am Donnerstag in einem Vorort Pekings von Sicherheitskräften verhaftet worden. Das berichtete die in Hongkong erscheinende 'South China Morning Post‘ in ihrer Wochenendausgabe. Wang Dan galt als einer der führenden Köpfe des Pekinger Frühlings, der durch das Massaker auf dem Tiananmen-Platz am 4. Juni ein Ende fand.

Auf den landesweiten Fahndungslisten, mit denen die Pekinger Führung seitdem Hetzjagd auf Studenten, Arbeiter und Intellektuelle betreibt, war Wang Dan an zweiter Stelle plaziert. Der 20jährige Student der Geschichte an der Peking -Universität ist damit der siebte von 21 Aktivisten der Demokratiebewegung, die von der Polizei gefaßt wurden. Wang soll sich dem Bericht zufolge in einem Hotel im Pekinger Bezirk Haidian versteckt gehalten haben.

Außer Wang Dan wurden am Wochenende offenbar weitere, nicht genannte liberale Intellektuelle verhaftet, die Mitglied im Komitee des Staatsrat für politische und wirtschaftliche Reform waren. Das Gremium war vom entlassenen KP-Chef Zhao Ziyang 1984 gegründet worden, als dieser nach das Amt des Ministerpräsidenten innehatte. Seitdem galt es als „Think -tank“ der Reformkräfte in der KPCh. Seine Mitglieder sind jetzt Verfolgungen ausgesetzt.

Der Verhaftungswelle gegen Reformer ist auch der Sozialwissenschaftler Li Hongli zum Opfer gefallen. Der 63jährige Präsident der Akademie für Sozialwissenschaften in der südchinesischen Provinz Fujian war seit 1979 in zahlreichen Artikeln und Büchern für die wirtschaftliche und politische Reform eingetreten. In Peking leitete er das „Institut zur Erforschung der Geschichte der chinesischen KP“ und das „Museum für chinesische Geschichte“. Ferner agierte er bis 1986 als stellvertretender Leiter der Propaganda-Abteilung der Partei. Lis Wohnungen in Peking und Fuzhou wurden durchsucht.

Der Stabschef im Weißen Haus, John Sununu, hat indessen die Erklärung der chinesischen Führung, nur die Anführer der Studentenbewegung verfolgen zu wollen, als „konstruktiv“ bewertet. Peking habe damit zu verstehen gegeben, daß es nicht alle Studenten zu verfolgen beabsichtige, sondern sich auf diejenigen beschränken wolle, die es als „Anstifter“ bezeichne.

Anderer Ansicht sind der Studentenführer Wu Erkaixi und der ehemalige Leiter der Akademie für Sozialwissenschaften und Mitglied im Beraterstabs von Zhao Ziyang, der 47jährige Yan Jiayi. In einem 'Spiegel'-Interview vom Montag äußerten sie die Ansicht, daß in China „Terror“ herrsche. Deng werde noch mehrere tausend Menschen umbringen lassen, befürchtet Yan.

Jürgen Kremb