Mandela im Widerstreit der Meinungen

■ Die Einschätzungen seines Treffens mit Botha sind extrem unterschiedlich: Winnie Mandela sieht einen „billigen Trick der Regierung“, Bischof Desmond Tutu begrüßt das Gespräch, die weiße Presse sieht die Stellung des ANC in der Zukunft Südafrikas gesichert

Kapstadt/Berlin (wps/taz) - Das vom Noch-Apartheidchef Botha organisierte erste Treffen zwischen ihm und dem inhaftierten ANC-Führer Mandela hat heftige Diskussionen ausgelöst. Während unter schwarzen FührerInnen und Kirchenkreisen das Treffen zwischen Regierung und dem ANC-Führer kritisch beleuchtet wurde, waren sich konservative Regierungsmitglieder bis hin zu liberalen PolitikerInnen und JournalistInnen einig, daß das Treffen „bedeutsam“ sei.

In einem von mehreren Anti-Apartheid-Organisationen und im Namen von Winnie Mandela verfaßten Kommunique, das der Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates, Frank Chikane, noch am Sonntag abend vor Winnie Mandelas Haus vortrug, wird dem Treffen, das schon am Mittwoch stattfand, jegliche Bedeutung abgesprochen. Die 45minütige Begegnung, von der Mandela nicht einmal seinem Anwalt Ismail Ayoub erzählt hatte, sei ein „billiger Trick der Regierung, falsche Hoffnungen über Mandelas Freilassung“ zu schüren und dies als ersten Schritt hin zu einer friedlichen Lösung der Probleme Südafrikas zu deklarieren. „Das Treffen hat keinerlei einschneidende Bedeutung für die Geschichte unseres Landes, auch wenn dies die südafrikanische Regierung der Welt gerne weismachen möchte“, sagte Chikane. „Mandela hat es selbst gesagt: Nur freie Menschen können verhandeln.“ Winnie Mandela, die Frau des seit 25 Jahren inhaftierten Führers des verbotenen African National Congress (ANC), wollte sich nach einem am Montag erfolgten Besuch bei ihrem Mann im Gefängnis nahe Kapstadt vor der Presse nicht äußern.

Obwohl sich Friedensnobelpreisträger Tutu „überrascht“ über den Zeitpunkt zeigte, begrüßte er doch das Treffen. Mandela könne hierbei „mehr gewinnen als verlieren“. Die weiße Minderheiten-Regierung unter Botha habe nach all den Jahren der Weigerung, mit „Terroristen“ zu verhandeln, gezeigt, daß „man letztlich die Stimmen derer, die an Verhandlungen interessiert“ seien, gehört habe. Die Freilassung Mandelas, der 1964 zu lebenslänglich verurteilt wurde und am 18. Juli 71 Jahre alt wird, sei nun nur noch „eine Frage der Zeit“. Die Regierungspartei Bothas hatte Anfang des Monats ein neues Programm verabschiedet, das als Vorbedingung für Verhandlungen nicht mehr das Abschwören von Gewalt nennt, sondern das Bekenntnis zu Frieden.

In seiner Partei ist der Alleingang Bothas mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Um die Kritik der rechten Konservativen Partei - größte Bedrohung bei den anstehenden Wahlen - an „Verhandlungen mit einem Kriminellen“ abzuschwächen, sprach Justizminister Kobie Coetsee von einem „Höflichkeitsbesuch“ Mandelas. Außenminister R. F. Botha verwies auf die „positiven Auswirkungen, die allen Menschen in Südafrika helfen können.“ F.W. de Klerk, designierter Nachfolger Bothas und Vorsitzender der Nationalen Partei, meinte abschwächend, es sei „die freie Entscheidung des Präsidenten, zu treffen, wen er will.“

Auch am Montag nahmen in der südafrikanischen Presse Spekulationen um die Bedeutung des Treffens breiten Raum ein. Für die 'Cape Times‘ ist die Begegnung ein Wendepunkt. Der Leiter der Südafrika-Studien an der Kapstädter Universität, Professor David Welsh, sah „eine außerordentliche Anerkennung“ der Rolle Mandelas bei der Suche nach einer Verhandlungslösung. Die Zeitung 'Business Day‘ schrieb gestern, das Treffen bedeute, daß der Platz des ANC in Südafrikas Zukunft sicher sei.

Für Mandelas ANC und andere Anti-Apartheid-Führer können ernsthafte Verhandlungen aber nur dann beginnen, wenn Mandela und alle politischen Gefangenen freigelassen, das Verbot des ANC und anderer Gruppen aufgehoben werden und Exilierte in ihr Land zurückkehren dürfen. Sie befürchten nun, daß Mandela sich über den Tisch hat ziehen lassen.

Helen Suzman, langjährige liberale Abgeordnete und Anti -Apartheid-Aktivistin, hat auf die Botha-Initiative ihre eigene Antwort. Offenbar sei das auch ein Racheakt des nach harten Machtkämpfen in seiner Partei unterlegenen Altrassisten an seinem Nachfolger de Klerk. Botha habe damit sich selbst einen besseren Abgang von der politischen Bühne bereiten und de Klerk nach dem Ausgang der Wahlen am 6. September die Annäherung an Mandela vermiesen wollen.

AS