„Fünf Stunden Geige - du bist ja verrückt!“

■ Nordsee-Schutz-Festivals im Gespräch

In Bremerhaven findet ab heute ein Nordsee-Schutz-Festival statt. Ulf Werner (geb. Bremerhavener), Musiker, und Dietmar Miehlke, Bildender Künstler, leben beide in Berlin und haben das Festival (mit)organisiert.

taz: Wie seid ihr auf die Idee zu einem „Schutzfestival“ gekommen?

Ulf Werner: Das war am Ende meines Studiums. Ich hab‘ fünf Stunden täglich im Kämmerlein gesessen und Geige geübt - und da hab ich irgendwann gedacht, du bist ja verrückt. Und fremdbestimmt im Orchester zu arbeiten ist eh nicht mein Ding, und Umweltgruppen bloß was spenden hat mir nicht mehr gereicht. Da hatte ich die Idee mit dem Nordseeschutzfestival und hab Leute darauf angesprochen. Das ging dann unheimlich schnell, daß die Umweltgruppen und verschiedene Künstler zugesagt haben.

Dietmar Miehlke: Es hat auch viel damit zu tun, daß die Kunstscene als Subkultur so vor sich hinsiecht. Es bringt alles irgendwo nichts mehr, man stellt schöne Bildchen aus oder macht ein schönes Konzertchen oder ne tolle Lesung und bescheißt sich im Prinzip selbst. Wir wollen dahin, was Kunst auch mal war: Musik, Literatur, bildende Kunst, das waren früher Kommunikationsmittel, und nichts anderes. Und das Festival ist jetzt ein Versuch, künstlerische Aktivitäten, Umweltproblematik und die Arbeit der Umweltgruppen zusammenzubringen.

U.W.: Als Künstler kannst du das natürlich nicht in dem Maße machen, wie das ein engagierter Umweltschützer macht. Aber es gibt Mittel, die du nutzen kannst, und die vielleicht nur noch nicht so gefunden sind. Zum Beispiel die Sache, daß man auch damit konfrontiert wird, was Mozart oder Beethoven mit Umweltschutz zu tun haben?

Ja, was zum Beispiel?

D.M.: Daß Musiker eben auch nur Menschen sind, und auch ein Anliegen haben in der Gesellschaft. Also nicht nur so ein Feierabendding machen, sondern kulturelle Arbeit leisten.

U.W.:Es soll ja auch Spaß machen, trotz der ernsten Themen. Niemand soll jetzt furchtbar viel lernen auf dem Festival, bloß manche Sachen vom Gefühl her begreifen. Wir haben ja auch viel Unterhaltung dabei.

D.M.: Eben nicht mit dieser Ernsthaftigkeit drangehen, so wie die Umweltgruppen meistens auftreten. Da siehste auf Veranstaltungen irgendwelche Infostände mit 30 000 Informationsmaterialien, damit kannste dich nur zubuttern. Da kriegste nur ein schlechtes Gewissen und zu Hause nimmste dir dann einen Strick. Es brodelt ja jeder in seinem eigenen Saft rum, die Umweltgruppen, die Künstler, die Musiker. Und diese verkrusteten Strukturen wollen wir einfach mal flüssig machen.

U.W.:Also zum Beispiel spielt das Ensemble Forum Neue Musik Berlin u.a. ein Stück von Frederic Rzewski für vier gestimmte Blumentöpfe und einen Sprecher. Und es gibt noch mehr eher witzige Sachen, die aber einen Bezug haben. Dann ist der Greenpeace-Bus da, wo jeder selbst mal Sediment- und Wasserproben machen kann. Also Umweltschutz zum Anfassen. Da ist für alle sichtbar, was das überhaupt fürn Wasser ist, warum darf da niemand drin baden? Wer so'n Glas in die Hand nimmt und unterm Mikroskop sehen kann, aha, das sind die Viecher, dann hat das irgendwie 'ne andere Qualität, als wenn ich das in der Zeitung lese.

Woher habt ihr das Geld?

U.W.:Teilweise durch eine Bürgschaft der Stadt Bremerhaven, dann unterstützt uns der Ökofonds in Bremen und Niedersachsen, dann die Nordseezeitung. Und die Künstler spielen umsonst.

Soll eure Aktivität danach versanden?

U.W.: Es sind nicht immer solche Klöpse geplant. Wir müssen zwischendurch auch mal Geld verdienen. Und so eine Festivalorganisation über Monate geht an die Gesundheit. Wir hoffen, daß eine Initialzündung davon ausgeht. Fragen: clak