K. - diesmal für neun lange Jahre hinter Gitter

■ Bankraub, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung / Landgericht verurteilte K. zu 9 Jahren Haft

Bremen ist schon eine Scheiß-kleine Stadt: Da tapert eine als Reporterin ins Landgericht - und sieht auf der Anklagebank plötzlich einen Bekannten sitzen, einen der früher eine gemeinsame Freundin „aus Liebe“ regelmäßig zusammengeschlagen ha. Einen, dem sie nicht unbedingt wieder begegnen wollte. Einen, der jetzt angeklagt ist, weil er inzwischen zwei Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt hat. Außerdem hat er im gleichen Zeitraum noch drei Bremer Banken ausgeraubt. K. - einer, dessen Weg vom Säuglingspflegeheim in die Jugend-und Erwachsenenknäste niemandem zu wünschen ist.

K.s letzte und schwerste Taten: Zwischen Dezember 1987 und März 1988 hat er dreimal mit Schreckschußpistole ausgerüstet Bremer Bankfilialen am Dobbenweg, in der Martini-und in der Bahnhofstraße überfallen, weil er mit dem erbeuteten Geld ein neues Leben anfangen wollte. Doch das Geld war auf Thailand schon nach einem Monat zu Ende. K. überfiel zwei weitere Banken, wobei auf jede „räuberische Erpressung“ fünf Jahre Mindeststrafe im Strafgesetzbuch stehen.

Im gleichen Zweimonatszeitraum hat er zwei Frauen schwer mißbraucht. Die eine, Patricia B. war damals 16 Jahre alt. Er sah sie vor sich auf dem Fahrrad, als er wieder einmal ziellos mit dem PKW durch die Gegend fuhr: „Ich konnte nicht erkennen, was für'n Typ, was für'n Alter. Ich hab nur die Pluderhosen gesehen,

auf was anderes getippt - alternativmäßig. Hab‘ sie mir geschnappt.“ Er schnitt der Radlerin mit seinem Auto den Weg ab. Fesselte ihr die Hände auf dem Rücken, zwang sie auf den Beifahrersitz. Nach 90 km Autofahrt bog er in einen Feldweg ein. „Nötigte die 16Jährige dazu, ihn oral zu befriedigen“, wie es im Gerichtsdeutsch heißt. - Er brachte das völlig verstörte Mädchen anschließend zu seinem Fahrrad zurück. Die Mutter sagte danach über ihre Tochter: „Patricia war wie ausgewandelt.“ Als sich das junge Mädchen mit einem scharfen Gegenstand das Gesicht zerschnitt, kam es in psychotherapeutische Behandlung.

Das nächste bekannte Opfer war die 22jährige Anhalterin Christina K. Auch sie bekam am Rücken Handschellen angelegt, wurde mit der Pistole bedroht. K. schlug sie „mit absoluter Lust“ und vergewaltigte sie. Später versuchte er eine zweite Vergewaltigung an ihr.

K. war gestern so umfassend geständig, daß das Gericht keines seiner Opfer in den Zeugenstand zu laden braucht. Eine Offenheit, die vor Gericht Seltensheitswert hat und die den Opfern sehr viel neues Leid erspart. Eine Offenheit, die bei den VertreterInnen der Nebenklage als „sich vor Gericht verkaufen“ empfunden wurde. Und Staatsanwältin Traub sah sich zu der Frage veranlaßt, ob K. eventuell bei seiner feministischen Ex-Freundin das selbstkritisch-männliche Vokabular

nachzusprechen gelernt habe.

K. und der psychiatrische Gutachter Schorsch legten dem Gericht Kindheit und Vorstrafenkarriere dar: K. kennt weder seine Mutter noch seinen Vater. Unehelich geboren, wächst er die ersten Wochen bei seiner Oma mütterlicherseits auf. Kommt dann in ein Säuglingspflegeheim. Dann zu einer Pflegemutter. Diese heiratet nach sechs Jahren einen Mann, zu dem K. in eifersüchtiger Oposition steht. Das zwiespältige Verhältnis zur Pflegemutter gestaltet sich so, wie die mei

sten seiner späteren Beziehungen zu Frauen. Der Gutachter: „Er hat sich bei ihr wohlgefühlt und hatte zugleich immer Angst, sie könnte ihn wegschicken.“ Mit seiner „anklammernd -eifersüchtig-kontrollierenden Art“ habe K. später immer wieder Beziehungen zum Scheitern gebracht. Wenn die Frauen ihn dann schließlich verlassen hätten, hätte dies sein „untergründiges Mißtrauen“ ihnen gegenüber nur noch gesteigert. Als ihn 1984 die für ihn wichtigste Frau verließ, sei, so K., daraus „ein Haß ent

standen, den ich auf Frauen abgelassen habe.“

Bis zu diesem Zeitpunkt hat er außerdem hinter sich: Mehrere Wechsel von Pflegemutter ins Heim und zurück, dann von einem Heim ins andere, dann eine Zeit, in der sich als 14jähriger Strichjunge Anerkennung von älteren Männern holte, weitere Heime, Wohngemeinschaften, schließlich Jugend -und Erwachsenenknäste. Außer wegen Eigentumsdelikten wird er auch wegen versuchter Vergewaltigung verknackt.

Gutachter Schorsch gibt zu bedenken, daß K. zuletzt völlig aus der Bahn geworfen war, daß seine letzten Straftaten „Ausdruck einer verschärften, zugespitzten Lebenskrise“ gewesen seien. Und daß sich der beredte, intelligente Angeklagte derzeit ernsthaft mit seiner Vergangenheit auseinandersetze. Staatsanwältin Traub beantragte 12 Jahre Gesamtstrafe, Verteidiger Joester plädierte auf eine „nicht -zweistellige“ Haftzeit, das Gericht beschloß, sich auf neun Jahre einzupendeln.

B.D.