VS zum Plündern freigegeben

■ Ab sofort können alle bespitzelten Berliner ihre Akten vom Verfassungsschutz anfordern / Pätzold kündigte Bericht über „Fehlentwicklungen“ bei der Behörde an

Mit sofortiger Wirkung können alle Bürger, die den Verdacht haben, daß vom Landesamt für Verfassungsschutz Dossiers über sie angelegt wurden, selbige beim Senator für Inneres anfordern. Das hat gestern der „Ausschuß für den Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses“ auf seiner konstituierenden Sitzung beschlossen. Zugleich kündigte Innensenator Pätzold an, daß den Abgeordnetenhaus-Fraktionen Anfang der Woche ein sogenannter „Leitbericht“ über die „Fehlentwicklungen beim Berliner Verfassungsschutz“ zugehen wird.

Der Bericht enthält die Arbeitsergebnisse der von Pätzold bei Regierungsübernahme eingesetzten Arbeitsgruppe, der unter anderem der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Garska und der freigestellte Staatsanwalt Fätkenheuer angehören. Untersuchungsschwerpunkte der Arbeitsgruppe waren die Bespitzelung von Parteien und Journalisten, die Schmücker-Affäre, die Bespitzelung der taz und die personenbezogene Speicherung Zehntausender von Bürgern.

Kurz nach der Regierungsübernahme von Rot-Grün hatte Pätzold eine „Osteraktion“ angekündigt, in der er allen „zu Unrecht abgespeicherten Bürgern“ ihre VS-Akte zusenden wollte. Wegen der „unglaublichen Menge an Material, das wir ja erst einmal sichten mußten“, so Pätzold, wurde aus der „Osteraktion“ allerdings jetzt eine Hochsommeraktion.

Sollte dennoch ein anfragender Bürger keine Auskunft erhalten, so muß die Behörde „nachvollziehbar begründen, warum sie keine Auskunft gibt“. Gegen eine solche Weigerung aus dem Amt ist nur noch der Klageweg über das Verwaltungsgericht möglich. Die beschlossene Herausgabe der gespeicherten Daten ist Teil der Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und AL, in denen es heißt: „Die zu Unrecht und ohne jeden Wert gesammelten Unterlagen und Daten über zahllose Bürger müssen (...) offengelegt und gelöscht werden.“

Ebenfalls mit sofortiger Wirkung in Kraft ist auch das von der Koalition eingebrachte „Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz“. Das Gesetz regelt die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes und löst das bisherige Kontrollgremium, die aus fünf Abgeordneten bestehende Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), ab. Vorsitzender des neuen, auf neun Parlamentarier erweiterten Gremiums ist der CDU -Abgeordnete Franke. Des weiteren gehören dem Ausschuß für den Verfassungsschutz die SPD-Abgeordneten Hildebrand, Dürr und Lorenz an. Für die CDU sitzen Frau Saß-Viehweger und der Exkripomann Wienhold, für die AL Frau Schraut und Frau Künast und für die „Republikaner“ deren Chef Andres in dem neuen Gremium.

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