Die Fehler der Vergangenheit

Auf dem Weg zur Partei muß die Befreiungsbewegung Swapo einen Neuanfang machen  ■ G A S T K O M M E N T A R E

Die Swapo befindet sich auf dem steinigen Weg von der Befreiungsbewegung zur politischen Partei. Dieser Weg ist mühsam. Als Befreiungsbewegung war und ist die Swapo in Namibia umstritten: Hinter das Ziel nationaler Unabhängigkeit und Befreiung von der südafrikanischen Fremdherrschaft scharen sich mehr als drei Viertel der Bevölkerung - der reiche schwarze Shop-Besitzer im Norden ebenso wie der arme Farmarbeiter und die Hausfrau in der Siedlung Katutura.

Für die Zeit nach der Unabhängigkeit gibt es dagegen bisher keine ähnlich weitgehende Übereinstimmung. Was die Gestaltung der künftigen namibischen Gesellschaft angeht, sind auch die Interessen der Swapo-UnterstützerInnen keineswegs einheitlich. Zwar zweifelt niemand am Erfolg der Swapo bei den Wahlen im November. Ob daraus aber ein wirklicher politischer Erfolg wird, ob Fehler anderer Unabhängigkeitsprozesse vermieden werden können, wird von der Fähigkeit der Swapo abhängen, eine offene Diskussion der verschiedenen politischen Interessen zu ermöglichen.

Auch die derzeitige Debatte über die Swapo-DissidentInnen ist Teil dieses Übergangs. Es ist nicht zu bestreiten, daß es innerhalb der Swapo von Südafrika eingeschleuste Spione gab - anders sind schreckliche Massaker der Südafrikaner wie das in Cassinga 1978 nicht zu erklären. Spione festzusetzen, die dafür verantwortlich sind - wer wollte dies einer Befreiungsbewegung im Krieg mit der Besatzungsmacht verbieten? Dennoch gibt es keine Rechtfertigung für Folter und Mord an diesen Menschen. Aus der Auseinandersetzung mit den Folterknechten in aller Welt wissen wir ohnehin, daß unter Folter erpreßte Geständnisse wertlos sind. Schon deswegen ist zu bezweifeln, daß alle Gefangenen wirklich Spione Südafrikas waren. Meist reichte die bloße Anschuldigung für die Einkerkerung. Die Frage, ob es zu Mißhandlungen von Gefangenen der Swapo gekommen ist, stellt sich heute nicht mehr. Sie räumt schließlich selbst ein, „Fehler“ gemacht zu haben.

Jetzt wird alles darauf ankommen, wie die Swapo als politische Partei diese Vergangenheit bewältigt. Viele Mitglieder können ihr Entsetzen über die Enthüllungen nur schwer verbergen. Ein Teil der Swapo-Führung scheint sich aber mehr davon zu versprechen, weiterhin abzuwiegeln - in der irrigen Hoffnung, der Rauch des aktuellen Feuers werde schon verfliegen. Jedenfalls reicht die Behauptung, es habe sich nur um einzelne Exzesse untergeordneter Personen gehandelt, weder als Erklärung noch als Entschuldigung hin.

Noch ist nicht bekannt, wer die Verantwortlichen waren und wer wieviel wußte. Alle Beteiligten müssen schleunigst zur Rechenschaft gezogen werden. Als politische Partei sollte die Swapo jetzt einen neuen Anfang machen: Interne Kritik und Offenheit nach innen und außen sind dringend notwendig. Indem sie einigen Journalisten den Zugang zu ihren Gefangenenlagern ermöglichte, hat die Swapo einen Anfang gemacht.

Michael Vesper (Grüne), zur Zeit als Wahlkampfbeobachter in Windhu