Bush sagte, was die Polen gerne hören

Gelassen nehmen die hartgeprüften Polen auch das Bush-Chaos hin / Der amerikanische Präsident schwelgt in Lob und vergleicht Staatschef Jaruzelski mit Kopernikus / Streicheleinheiten für Regierung, Kirche und „Solidarity“  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Für zwei Tage hielten die USA Warschau und Danzig fest im Griff. Die Polen hatten nichts dagegen: Die traditionelle USA-Freundlichkeit der Bevölkerung ließ sie auch bei größter Hitze das Bush-Chaos geduldig ertragen.

„Tut mir leid, hier ist alles besetzt, Sie wissen ja, Bush ist hier.“ Der Parkwächter deutet auf die zahlreichen Straßenkreuzer mit den fremden Kennzeichen, die derzeit überall in Warschau und Danzig zu sehen sind. Mehrere hundert von ihnen wurden von einer Hamburger Firma nach Warschau und Danzig transportiert, zur speziellen Verfügung von 600 mit George Bush angereisten Journalisten aus 19 Ländern. Die Fahrer werden gleich mit zur Verfügung gestellt. Anschließend, nach Bushs Abreise, so erzählen Warschauer händereibend weiter, sollen die Limousinen versteigert werden.

Seit Wochen sind in Danzig alle Hotels ausgebucht. Allein die amerikanische Botschaft hatte in Danzigs größtem Hotel drei komplette Stockwerke angemietet, die amerikanischen Fernsehgesellschaften belegten den Rest.

In Warschau ist es ähnlich, allenfalls in den Hotels der untersten Kategorien findet sich noch ein Plätzchen für Urlauber.

Die Polen nehmen den Rummel bei teilweise über dreißig Grad Hitze erstaunlich gelassen hin. Die meisten sind ohnehin damit beschäftigt, nach Fleisch und Wurst und anderen Lebensmitteln stundenlang Schlange zu stehen. Die Versorgungslage verschlechtert sich von Tag zu Tag. Daß Busch daran etwas ändern wird, glauben wenige.

Dennoch sind die Vereinigten Staaten in Polen außerordentlich beliebt. Nach Umfrageergebnissen des staatlichen Meinungsforschungszentrums CBOS halten 90 Prozent der Polen die USA für das Land, mit dem die Beziehungen ausgebaut werden sollten, um die Wirtschaftskrise zu überwinden. Nur knapp sechs Prozent der Befragten waren für eine Beschränkung der bilateralen Kontakte.

Präsident George Bushs Triumphzug durch Warschau und Danzig, sein Empfang im Parlament, wo ihn die Abgeordneten spontan hochleben ließen, die „äußerst herzliche Atmosphäre“, auf die alle Delegationsteilnehmer so oft hinweisen, ist vor allem darauf zurückzuführen, daß Bush es hervorragend verstanden hat, alle jene Themen anzusprechen, die den Polen besonders am Herzen liegen. Bushs Redenschreiber wußten offenbar sehr genau, was die Polen aus dem Mund eines ausländischen Gastes am liebsten hören: Im Parlament verglich Bush Jaruzelskis Wende mit Kopernikus‘ Neuerungen, lobte die polnische Maiverfassung von 1991, die er mit der amerikanischen verglich, erinnerte an den Beitrag Polens zur Niederwerfung des Nationalsozialismus.

Neben den offiziellen Kontakten mit Staatschef Jaruzelski und Premier Rakowski enthielt sein Programm alles, was dazu angetan ist, bei allen Seiten, auch der Opposition, Begeisterung auszulösen.

Zum Empfang in der Botschaftsresidenz des amerikanischen Botschafters waren Regierung und Opposition gleichmäßig vertreten (ein Toast von Jaruzelski, ein Toast von Walesa -Berater Geremek), wann immer er von der Reformwilligkeit der Regierung sprach, vergaß er auch „Solidarity“ nicht zu erwähnen. Nach dem Termin bei Jaruzelski und den Verhandlungen mit Rakowski flog er nach Danzig zum dortigen Bischof - und zum Frühstück zu Arbeiterführer Lech Walesa.

Bush ist gekommen, obwohl er wußte, daß er bei seiner Ankunft unsichere Verhältnisse vorfinden würde: noch keine neue Regierung. Unklarheit, wer Präsident wird. „Das ist Sache der Polen“, hatte er auf einer Pressekonferenz in den USA vor dem Abflug erklärt. „Ich werde mit den polnischen Führern sprechen, die mich empfangen. Kompliziert wird der Besuch dadurch nicht.“

Mit seinem Besuch, so empfanden dies Regierung und Opposition in Warschau, habe Präsident Bush einen Prozeß stärken wollen, auch wenn dessen Ergebnis noch ungewiß ist. Daß er den Besuch nicht wie Bundeskanzler Kohl verschoben hat, wird ihm hier in Polen hoch angerechnet.