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Zwischen Realpolitik und Opposition

In Polens Opposition dauert die Debatte um Adam Michniks Vorschlag einer Regierungsbeteiligung an  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Im zweiten Teil unserer kleinen Geschichte der Revolution in Polen berichtet der taz-Korrespodent über Leserreaktionen auf den Leitartikel Michniks in der 'Gazeta Wyborcza‘ (siehe taz von gestern), in der er der Opposition den Vorschlag machte, den künftigen Regierungsechef zu stellen und der Kommunistischen Partei das Präsidentenamt zu überlassen. Michnik, der am Montag nach Moskau reiste, will sich dort nach Agenturberichten für seinen Vorschlag Rückendeckung holen.

„Wir haben es geschafft, uns aus der Hoffnungslosigkeit zu lösen und wir haben das mit dem überwältigenden Wahlsieg im Sejm und Senat besiegelt. Übernehmen wir jetzt die Verantwortung für eine Regierung der nationalen Errettung. Vor uns ist eine Zeit der großen staatsbürgerlichen Herausforderung und der des Glaubens an uns selbst.“ Mit solchen, wie man es von ihm gewohnt ist, pathetischen Worten tritt in der jüngsten Ausgabe der Wahlkampfzeitung von Solidarnosc der ehemalige Sejm-Abgeordnete Edmund Osmanczyk für Michniks Vorschlag ein, Solidarnosc solle die Regierung übernehmen. Osmanczyk ist allerdings in der Diskussion darüber ein eher einsamer Rufer. Sehr nüchtern dagegen geht Karol Mozelewski, einst Michniks Mitstreiter und Solidarnosc -Berater mit dem Vorschlag des Warschauer Historikers um: der sei nichts anderes als ein Aufguß dessen, was Jaruzelski vor den Wahlen „Pro-Reform-Koalition“ propagierte und die Michnik in der Vergangenheit bereits abgelehnt hatte.

„Weder Michnik noch Kuron denken ja wohl daran, daß Oppositionsvertreter auch das Portefeuille des Verteidigungs -, Innen- und Außenministeriums übernehmen sollten“, stellt Mozelewski fest. Diese Bereiche habe man schließlich der Regierung nicht grundlos am runden Tisch belassen. Sie würden wohl auch in Zukunft mit Leuten besetzt sein müssen, die nicht nur das Vertrauen der PVAP, sondern auch des Militärs und des Warschauer Pakts genössen. „Außerdem müßte sich eine solche Regierung auf das Parlament stützen, in dem Solidarnosc nur 35 Prozent der Mandate hat. Ohne Bündnis mit der PVAP und eventuell der demokratischen und der Bauernpartei wäre das kaum möglich.“

Doch selbst dies - so nicht nur Mozelewskis Befürchtung ändere kaum die Haltung des Regierungsapparates gegenüber den oppositionellen Ministern. Was helfe es, wenn ein Minister regiere, der von seinem eigenen Apparat boykottiert werde. Schließlich besteht nahezu die gesamte polnische Regierungsbürokratie aus Parteibeamten, die schon bisher der Partei mindestens genauso verpflichtet waren wie dem jeweiligen Minister.

Tatsächlich, so heißt es an anderer Stelle in der Wahlkampfzeitung, komme Michniks Vorschlag einer Koalition mit der Nomenklatura gleich. „Letztendlich würde dies nur dazu führen, daß die Regierung auf Kosten von Solidarnosc in den Augen der Bevölkerung glaubwürdiger wird. Dann nämlich, wenn aufgrund der Obstruktion des Apparates die von den oppositionellen Ministern initiierten Reformen erfolglos blieben. Modzelewski ist sich andererseits auch darüber im klaren, daß sich die einschneidenden und unpopulären Maßnahmen, die zum Erfolg der Reform nötig seien, nicht mit einer Regierung durchführen lassen, die kein Vertrauen in der Bevölkerung genießt: „Wir werden die Lösung für die Quadratur des Kreises suchen.“

Wie Modzelewski, so fürchtet auch der Krakauer Professor Janusz Ziolkowski, daß das mögliche Risiko, Solidarnosc könne infolge eines solchen Experimentes das Vertrauen der Bevölkerung verlieren, zu hoch ist. „Ein mutiger, geradezu halsbrecherischer Gedanke“, urteilt er über Michniks Vorschlag.

Die Kommunisten, die das Land 40 Jahre lang dahin geführt hätten, wo es jetzt sei, sollten die Suppe auch allein auslöffeln - dieser Gedanke taucht in den Diskussionen häufig auf. Selbst unter Abgeordneten der Opposition. „Doch wäre es nicht auch eine nie dagewesene Chance“, fragt ein Leserbriefschreiber in der Wahlkampfzeitung, „wenn wir die Verantwortung übernehmen würden?“ Die Frage, ob Jaruzelskis Rückzug vom Präsidentenamt nicht eine Gelegenheit sei, einen neuen politischen Pakt abzuschließen, anders als der am runden Tisch vereinbarte, treibt die Journalisten um.

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