Bomben gegen die Hadsch in Mekka

■ Ein Toter und 16 Verletzte während der islamischen Pilgerfahrt / Iranische Führung beschuldigt Saudi-Arabien / Teheran gedenkt des Massakers vor zwei Jahren / Iran boykottiert Hadsch und fordert internationale Überwachung der Wallfahrtstätte

Teheran/Berlin (afp/taz) - Ungewohnte Worte von ungewohntem Ort: Der iranische Parlamentspräsident und aussichtsreiche Kandidat für das höchste Staatsamt der iranischen Republik, Hodschatoleslam Haschemi Rafsandschani, hat am Dienstag die Explosionen nahe der Großen Moschee von Mekka „nachdrücklich“ verurteilt und von „kriminellen und bösartigen Handlungen“ gesprochen. Bei den Detonationen zweier Sprengkörper waren am Montag abend eine Person getötet und 16 verletzt worden. Rafsandschani verfiel jedoch flugs wieder in den propagandistischen Stil der Teheraner Führung: „Dieses Komplott“, so der Politiker, sei entweder von amerikanischer Seite oder von Saudi-Arabien selbst in Auftrag gegeben worden.

Am gleichen Tag, an dem die Explosionen stattfanden, wurde im Iran mit Kundgebungen des „Massakers von Mekka“ vor zwei Jahren gedacht. Damals waren bei Zusammenstößen zwischen vornehmlich iranischen Pilgern und saudischen Sicherheitskräften nach einer offiziellen Bilanz 402 Menschen getötet worden, darunter 275 Iraner. „Wir sehen Mekka als geheiligten Ort und halten aus diesem Grunde diese Art von Handlungen für ein Verbrechen genau wie das Massaker an den iranischen Pilgern vor zwei Jahren“, konstatierte denn auch Rafsandschani in offenkundiger politischer Zwecklogik. In Mekka, der Geburtsstadt des Propheten Mohammed, dem wichtigsten Wallfahrtsort des Islam, halten sich zur Zeit rund eineinhalb Millionen Menschen aus Anlaß der jährlichen Pilgerfahrt auf. Die Hadsch, die jeder Gläubige Moslem einmal in seinem Leben unternehmen muß, sofern er gesundheitlich und finanziell dazu in der Lage ist, hat am Freitag begonnen. Zuvor hatte der iranische Präsident und Chomeini-Nachfolger Ali Chamenei die Gläubigen dazu aufgerufen, sich während ihre Aufenthalts an den heiligen Stätten dem Verbot politischer Aktivitäten zu widersetzen und erneut Demonstrationen zu veranstalten.

Iranische Pilger sind allerdings diesmal im zweiten aufeinanderfolgenden Jahr offiziell nicht mit von der Partie. Die iranische Führung will sich nicht dem Quotensystem beugen, in dem die Islamische Weltkonferenz auf Vorschlag Saudi-Arabiens den Schlüssel 1.000 Pilger pro eine Million Einwohner festgelegt hatte, wodurch die Zahl der persischen Pilger auf 45.000 begrenzt wurde. In den Vorjahren hatte Iran mit 150.000 Pilgern das größte Kontingent gestellt. Dennoch hat eine unbestimmte Zahl von Wallfahrern mit iranischen Pässen, die aus Drittländern einreisten, Visa für Mekka erhalten.

Iran stellt außerdem die Fähigkeit der Saudis in Frage, die heiligen Stätten des Islam verwalten zu können, und fordert statt dessen eine internationale Überwachung der Hadsch. Doch der saudische König Fahd ist nicht bereit, den iranischen Wünschen zu folgen und den prestigereichen Titel „Wächter der heiligen Stätten“ abzulegen. Schließlich ist es einer Mischung aus politischen und religiösen Gründen geschuldet, wenn sich die beiden islamischen Staaten nicht grün sind. Im Iran ist der Schiismus, eine Minderheitsströmung des Islam, Staatsreligion, während in Saudi-Arabien die Wahabiten, eine sunnitische Sekte, das Sagen haben. Ungeachtet der Spaltung des Islam in Sunnismus und Schiismus hat die iranische Führung seit der Revolution stets den Anspruch erhoben, für alle unterdrückten Moslems zu sprechen.