„GTZ soll sich aus dem Bondoc-Projekt zurückziehen“

Martha Mamozai, Diplom-Volkswirtin und -Soziologin, freiberufliche entwicklungspolitische Gutachterin hat für die GTZ das Projekt auf der philippinischen Halbinsel Bondoc geprüft / Sie empfielt der GTZ nachdrücklich, sich aus dem umstrittenen Straßenbauprojekt zurückzuziehen  ■ I N T E R V I E W

taz: Sie haben sich während Ihres zweimonatigen Philippinenaufenthalts (9.5.-6.7.), bei dem Sie vor allem Ansätze für Frauenförderungsprojekte untersucht haben, im Auftrag der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) auch mehrere Tage auf der Bondoc-Halbinsel aufgehalten. Welche Eindrücke haben Sie dort gewonnen?

Martha Mamozai: Die erste Überraschung war, daß meine Wünsche hinsichtlich der Orte, die ich besuchen, und der Personen, die ich treffen wollte, nicht vom regionalen Büro der staatliche Planungsbehörde Neda bearbeitet wurden, sondern der gesamte Reiseverlauf von der Schwester des Kongreßabgeordneten der Bondoc-Halbinsel geplant worden war, deren Familie quasi zwei Drittel des Projektgebietes politisch und ökonomisch kontrolliert. Das Arrangement lief darauf hinaus, mich auf endlosen Fahrten zwischen den kleinen Städten beschäftigt zu halten, wohl um mir zu beweisen, wie wichtig die Straßenbaukomponente des Projektes ist. Der Besitzer des Hotels in Catanauan weigerte sich in gönnerhafter Weise, das Geld für die Rechnung entgegenzunehmen. Kommunalpolitiker bewirteten mich fürstlich. Und immer der Hinweis, daß schon mehrere deutsche Delegationen dagewesen seien. In allen vier Städten wurde von der Organisatorin der Eindruck zu erwecken versucht, unsere Gruppe sei im Auftrag des Kongreßabgeordneten unterwegs. Mit dem Hinweis „Sicherheitsbedenken“ wurde mir verwehrt, in abgelegene Dörfer zu fahren. Deshalb konnte ich mit keinem Angehörigen der Zielgruppe ländlicher Armer reden.

Demnach haben Sie sich nur mit Offiziellen treffen können?

Ich habe tatsächlich nur mit Bürgermeistern, Vertretern örtlicher Behörden und offensichtlich vorher ausgewählten Repräsentanten städtischer Organisationen konferieren können. Dabei stellte sich heraus, daß z.B. fast alle Frauengruppen unmittelbar vorher gegründet worden sind und beinahe ausschließlich aus Angehörigen der Mittelschicht bestanden. Ohne mit der Siutuation der Armen vertraut zu sein, wollen sie im günstigsten Fall für die unterprivilegierten Frauen arbeiten, nicht mit ihnen und das auch nur innerhalb der Stadtgrenzen. Viele hofften aber auch, das Projekt könne ihnen zusätzliche Einkommen verschaffen. Was den Gouverneur, die Bürgermeister und die Verwaltung betrifft, sind sie vorrangig am Ausbau der Nationalstraße interessiert. Danach kommt gleich der Wunsch nach frei verfügbaren Projektmitteln. Keiner meiner Gesprächspartner signalisierte Interesse an Beratung, Training oder ähnlichen Formen von Zusammenarbeit mit der deutschen Seite, ihre Problemanalyse ließ die Bedürfnisse der Zielgruppe völlig außer acht. Überhaupt war der gesamte Projektentwurf nahezu unbekannt, trotz der Seminare, die bereits stattgefunden haben. Drei der vier Bürgermeister des Pilotgebietes wiesen ausdrücklich darauf hin, daß die Sicherheit der künftigen deutschen Experten außerhalb der Städte nicht gewährleistet werden könne.

Interessant finde ich, daß mit dem Sicherheitsargument nicht die Sicherheit der Bevölkerung gemeint ist und daß nicht nur die lokalen Politiker, sondern auch die GTZ und die deutsche Botschaft die vorliegenden Zahlen über Menschenrechtsverletzungen, zusammengestellt von Organisatoren der katholischen und der evangelischen Kirche, angezweifelt werden. Auf keinem der vier Treffen konnte jemand meine Frage beantworten, welche Motivation angesichts der äußerst ungleichen Landverteilung eine Pächterfamilie haben kann, die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen, wenn das bei den existierenden Pachtraten bedeutet, erheblich mehr Einkommen für den Eigentümer als für sich selbst zu erwirtschaften.

Wie lautete Ihre Empfehlung an die GTZ?

Obwohl das ausgewählte Gebiet eine der ärmsten Gegenden in den Philippinen ist, läßt die dortige politische Situation zur Zeit die Realisierung eines integrierten ländlichen Entwicklungsprojektes nicht zu. Die Einfluß- und Besitzverhältnisse sind so beschaffen, daß eine konsequente Arbeit mit der armen Bevölkerung unmöglich ist. Ich habe der GTZ deshalb nachdrücklich empfohlen, sich aus dem Vorhaben zurückzuziehen.

Gebhard Körte, Manila