Springers Mauer

■ Springer-Verlag zäunte DDR-Gelände ab / SPD-Abgeordneter will nun eigenhändig die Zäune zwischen Springer-Haus und Mauer niederreißen

Mag die Wiedervereinigung noch in weiter Ferne liegen, Axel Springer unternahm schon Anfang der sechziger Jahre die ersten praktischen Schritte. Nach dem Bau seines Verlagshauses an der Mauer expandierte er gleich weiter auf Ostberliner Gebiet: Mit Zäunen an der Linden- und an der Markgrafenstraße sperrte er den schmalen Streifen zwischen seinem Verlagshaus und der Mauer ab. Auf das sogenannte „Unterbaugebiet“ - den Ostberliner Landstreifen diesseits der Mauer - gelangen hier nur Springer-Mitarbeiter.

Die DDR nahm diese Grenzverletzung ungerührt hin. Beim Springer-Verlag seien bisher „keinerlei Proteste“ eingegangen, versichert Michael Holweg von der Grundstücksabteilung. Doch jetzt empörte sich der Kreuzberger SPD-Abgeordnete Hajo Kohl über Springers „widerrechtliche Landnahme“. „Ohnmächtig“, so Kohl, stünden jährlich „Tausende von Spaziergängern“ vor den Springer -Zäunen. In der Tat nutzen viele Kreuzberger den Niemandsstreifen entlang der Mauer zum Spazierengehen und Radfahren. Zäune stellen sich ihnen auf dem „Bezirkswanderweg“ (Kohl) nur bei Springers Verlagshaus in den Weg.

Als Kohl den Verlag jetzt aufforderte, den Zaun niederzureißen, erhielt er eine Abfuhr. „Aus Sicherheitsgründen“, so Holweg, habe der Verlag den Niemandsstreifen abgeschrankt. Gemeint sei beileibe nicht die Sicherheit des Verlagshauses - obwohl das Unterbaugebiet für Springer-Gegner eine hervorragende, weil polizeifreie Angriffsbasis auf das Verlagsgebäude abgeben würde. Nein, Springer sorge sich um die Sicherheit der Spaziergänger, denen hier bei einem Unfall keine Westberliner Polizei zu Hilfe eilen könnte. Die Fürsorge ließ sich der Verlag einige Mühe kosten. An der Markgrafenstraße versperren zwei massive Eisenzäune den Weg, gespickt mit scharfen Spitzen, gekrönt von einer Rolle Stacheldraht.

Der Abgeordnete will nun zur Selbsthilfe schreiten. „An der Spitze der organisierten Volkswut“, drohte Kohl dem Springer -Verlag, werde er demnächst den Zaun einreißen - die Polizei kann das ja nicht verhindern.

hmt