Vielfältig - aber isoliert

■ Bestandsaufnahme der Faschismusforschung in Berlin / Einzelne Projekte sollen vernetzt werden, fordert der Historiker Wippermann / Forschungslücken im Bereich Neofaschismus

Als sei es medienwirksam inszeniert: Just in dem Moment, wo der Reporter zum Interview erscheint, weist der Hausmeister dem Mann, dessen Berufung als Faschismusforscher ans Friedrich-Meinecke-Institut bis heute mehrfach vereitelt wurde, endlich seinen eigenen Arbeitsplatz in der Universität zu. Es ist der Raum 229a in der sogenannten Babelsburg, der Heimstätte der Soziologen und des Zentralinstituts für Sozialwissenschaftliche Forschung an der FU.

Von hier aus soll Wippermann untersuchen, wie es um die Faschismusforschung in Berlin bestellt ist und Vorschläge zu ihrer Koordinierung ausarbeiten. Das Kuratorium der FU hatte ihn im Mai damit beauftragt. Grundlage war die in der Koalitionsvereinbarung erklärte Absicht von Rot-Grün, die Faschismusforschung in Berlin zu stärken.

Gegenwärtig arbeitet Wippermann an der Bestandsaufnahme aller Forschungsprojekte in der Stadt zum Thema Faschismus. Erste Zwischenergebnisse liegen bereits vor. Ein paar Beispiele: Am Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung der FU besteht ein hochaktueller Forschungsschwerpunkt „Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus“, FU-Historiker arbeiten im Rahmen eines Berlin-Forschungsprojektes die Geschichte des Faschismus in Berlin auf, und an einzelnen Fachbereichen, so bei den Juristen, wird die eigene Wissenschaftsgeschichte in der NS -Zeit erforscht. Wippermann selbst hat sich lange Zeit mit der Verfolgung von Sinti und Roma befaßt.

Besonders rührig sind die Theaterwissenschaftler: Im Rahmen ihres Forschungsschwerpunktes „Theater im Dritten Reich“ haben sie „braune Bühnen“ und Spielpläne von rund 30.000 Inszenierungen zwischen 1933 und 1945 untersucht. Einen Schwerpunkt der Berliner Faschismusforschung bildet auch das „Zentrum für Antisemitismusforschung“ an der TU. Hier wurde jüngst ein Projekt zur „Wirkungsgeschichte der Wissenschaftsemigration nach 1933“ abgeschlossen. Neben den universitären erfaßt Wippermann aber auch außeruniversitäre Projekte wie die Ausstellung „Topographie des Terrors“ oder Projekte der Berliner Geschichtswerkstatt und von Antifa -Gruppen.

Wippermann will eine Kooperation dieser bislang isoliert voneinander arbeitenden Berliner Projekte erreichen. Er schlägt vor, die Forschungsaktivitäten in sechs verschiedenen interdisziplinären Arbeitsgruppen zu bündeln. Als mögliche Themenschwerpunkte nennt Wippermann unter anderem „Frauen im Faschismus“, „Rechtsradikalismus in der BRD und Europa“ und „Nationalsozialismus in Berlin“. Sein Ziel: „Berlin, das schon jetzt ein Zentrum der Faschismusforschungen ist, soll ein Zentrum der Faschismusforschung werden.“ Welchen Stellenwert eine solche Vernetzung haben kann, zeigt das aktuelle Problem der REPs: Im Bereich des Neofaschismus hat bislang keine kontinuierliche Forschung stattgefunden.

Damit es zu einer Vernetzung kommt, müssen vor allem Berührungsängste zwischen Uni und außeruniversitären Gruppen überwunden werden. Zu diesem Zweck bemüht sich Wippermann um eine feste Angestellten-Stelle für sich selbst, um kontinuierlich die Projekte koordinieren und bei der Beantragung von Forschungsgeldern beraten zu können. Von hier aus will er außerdem jährlich eine „Berliner Konferenz für Faschismusforschung“ organisieren und ein Mitteilungsblatt herausgeben.

FU-Vize Bütow hat Wippermann die Stelle bereits in Aussicht gestellt, doch noch keine feste Zusage gegeben. Allerdings ist Eile geboten. Wippermann muß sich bald entscheiden, ob er einen Ruf nach Minniapolis annimmt, wo er einen Schwerpunkt Faschismusforschung aufbauen soll. Wippermann macht aus seiner Präferenz jedenfalls keinen Hehl. „Aus vielerlei Gründen, von denen vielleicht die REPs der wichtigste sind, möchte ich lieber hier bleiben.“

Thomas Werres