: Pawlowscher Reflex
Zur CDU-Kampagne gegen rot-grüne Asylpolitik ■ K O M M E N T A R
Im Nachhinein muß der Berliner CDU die Weisung von Innensenator Pätzold wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein. 100 Tage Opposition praktisch verpennt, die „Republikaner“ im Nacken - da flattert kurz vor den Sommerferien ein Erlaß herein, der auf den ersten Blick alle Reizworte enthält, die eine Stammtischrunde braucht: „Ausländer“, „Asyl“ und „Straftäter“. Mit der Berechenbarkeit eines pawlowschen Reflexes stürzen sich die Christdemokraten auf das Thema und schlachten es in einer Weise aus, wie es die „Republikaner“ nicht besser machen könnten - vorausgesetzt, diese beherrschten etwas mehr staatsmännische Rhetorik. Der Versuch, den rechten Rand wieder einzufransen, ist umso offensichtlicher, als der rot -grüne Senat nichts anderes getan hat, als die „Altfall -Regelung“ des damaligen CDU-Senators Kewenig konsequent auf alle Flüchtlinge auszudehnen, die nicht in ihre Heimat zurück können und seit Jahren hier ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht und damit in permanenter Unsicherheit gelebt haben. Daß der Senat ehemaligen ausländischen Straftätern in Zukunft unter der Voraussetzung einer günstigen Gesamtprognose der Strafanstalt eine Duldung auf Bewährung gewähren will, ist selbst manchen Presseagenturen schon zu umständlich, um es jedesmal korrekt wiederzugeben. Die Frage, ob ein Mann wie der CDU-Abgeordnete Ekkehard Wruck tatsächlich glaubt, was er da faselt, ist müßig angesichts der Tatsache, daß die Kampagne gerade wegen ihrer Primitivität nicht ohne Erfolg bleiben wird - schon allein weil sie Gegenkampagnen erfordert und damit Kräfte bindet, die in dieser Stadt wahrlich anderswo benötigt würden. Man sollte in Zukunft bestimmten Politikern statt eines vierjährigen Mandats nur noch eine parlamentarische „Duldung auf Bewährung“ erteilen.
Andrea Böhm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen