Diepgen droht mit Mißtrauensantrag

■ CDU droht mit Mißtrauensantrag gegen Momper / An der SPD-Basis muß noch Überzeugungsarbeit geleistet werden / CDU bosselt derweil weiterhin am Szenario „Einwanderungsort“ Berlin

„Warm anziehen“, empfahl der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Ekkehard Barthel, seinen Fraktionskollegen für die Kampagne von CDU und „Republikanern“ gegen die Asyl- und Ausländerpolitik des rot-grünen Senats. Man habe „Gegenwind“ erwartet, erklärte Barthel. Von der für Dienstag einberufenen Sondersitzung erwarte man jedoch keine neuen Argumente. Ob es dabei zu einem Mißtrauensvotum gegen Innensenator Erich Pätzold kommen wird, ist noch unklar. Allein die Möglichkeit eines Mißtrauensantrags zwingt SPD und AL jedoch, ihre Fraktionen möglichst vollständig im Abgeordnetenhaus antreten zu lassen, da gegenüber CDU und „Republikanern“ nur eine Mehrheit von sieben Stimmen besteht.

Für den Fall, daß der Senat nicht innerhalb der nächsten Wochen die Neuregelung zum Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen zurücknehme, drohte Oppositionsführer Diepgen gestern mit einem Mißtrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister Walter Momper nach der Sommerpause. Damit ist die Neuregelung, die Flüchtlingen ohne Rückkehrmöglichkeit einen sicheren Aufenthaltsstatus garantiert, endgültig zum parteipolitischen Vehikel geworden.

Scharf kritisiert wurde die CDU-Strategie von der Internationalen Liga für Menschenrechte. In einem Brief warf die Liga dem ausländerpolitischen Sprecher der CDU, Wruck, vor, durch seine jüngsten Äußerungen zur Asyl- und Ausländerpolitik Ängste zu schüren und dem Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit in dieser Stadt zuzuarbeiten. Gerade weil sich Wruck in der Vergangenheit in Asyl- und Ausländerfragen eher liberal gezeigt habe und damit auch bei seiner eigenen Fraktion angeeckt sei, dürfe er nun fremdenfeindlichen Stimmungen in der Stadt nicht nachgeben.

In ihrer Kampagne bastelt die CDU allerdings weiterhin am Szenario der Stadt als „Einwanderungsort“ und „Mekka für ausländische Straftäter“, wie es Wruck vor einigen Tagen formuliert hatte. Gerade in bezug auf das Reizwort „Straftäter“ wird geflissentlich unterschlagen, daß auch unter dem alten CDU/FDP-Senat fast alle ausländischen ehemaligen Straftäter, die zur Ausreise aufgefordert worden waren, in der Stadt bleiben durften. Entweder war eine Abschiebung aufgrund der Situation in ihrem Heimatland nicht möglich, oder ihnen drohte dort Todesstrafe oder Folter. Die Neuregelung besage lediglich, daß ehemals straffällige Ausländer nun auch im Rahmen von Resozialisierungsmaßnahmen betreut würden, erklärte Barthel. Ein Umstand, der eigentlich im Interesse der CDU liegen müsse. Allerdings wies die SPD gestern noch einmal beschwichtigend darauf hin, daß während der Sommerpause keine einzige der umstrittenen „Duldung auf Bewährung“ ausgestellt würde. Dazu fehlten im Moment noch die „organisatorischen Voraussetzungen“. Offensichtlich ist auch an der SPD-Basis Überzeugungsarbeit vonnöten, nachdem Kritik an Pätzolds Weisung laut wurde.

Rückenwind hat die Berliner CDU inzwischen auch aus Bonn und Bayern bekommen. Während bereits am Dienstag Bayerns Innenminister Stoiber von einer „nicht hinnehmbaren Zumutung und Verhöhnung der deutschen Bevölkerung“ durch die Berliner Weisung sprach, forderte Bundesinnenminister Schäuble den Senat auf, selbige zurückzunehmen. Andernfalls verlasse Berlin in einem wichtigen Bereich die Rechtseinheit mit dem Bund, erklärte der Minister offenbar in Unkenntnis der Tatsache, daß die Berliner Weisung allein in Landeskompetenz liegt. Die Fraktionsvorsitzende der AL, Heidi Bischoff -Pflanz, betonte, die vermeintlich einheitliche Abschiebepraxis in allen Bundesländern habe es ohnehin nie gegeben.

anb