Norweger bomben gegen Fremde

Im Land der Fjorde macht sich rasant der Ausländerhaß breit / Rechte „Fortschrittspartei“ möchte Vergünstigungen für Einwanderer abschaffen / Sozialdemokraten: „Auch Folter soll kein Asylgrund mehr sein“  ■  Aus Bergen Gönül Kigilcim

Die Lunte war lang, die Osloer Feuerwehr schnell. Wenige Minuten bevor die anderthalb Kilogramm Dynamit am Hintereingang eines pakistanischen Lebensmittelladens in die Luft flogen, kappten die Feuerwehrleute die sprühende Lunte. Eine Nachbarin hatte angerufen, nachdem sie den Brandgeruch bemerkt hatte. Das war am 30. April: Der zweite Attentatsversuch gegen ein Geschäft von Immigranten in Oslo innerhalb von zehn Tagen. Dabei hatten die Norweger soeben selbstzufrieden behauptet, daß die mehrfachen Verwüstungen des pakistanischen Gemüseladens „8-8“ im letzten Jahr in der kleinen ostnorwegischen Gemeinde Brumundal der fehlgeleiteten Langeweile der Dorfjugend zuzuschreiben sei.

Doch langsam wird den Ausländern klar, daß sich auch in Norwegen zunehmend blanker Fremdenhaß breitzumachen beginnt. 24. April: Im Garten des Flüchtlingsheims in Eidsvoll - dem Ort, wo vor genau 175 Jahren die damals weitreichendste Verfassung Europas verabschiedet wurde - detoniert eine selbstgebastelte Bombe. Die 49 Bewohner überstehen das Attentat unverletzt. Nach diesem zweiten Anschlag auf ein Flüchtlingsheim wird schließlich die polizeiliche Beobachtung der Unterkünfte im ganzen Land verschärft. 14. Mai: Gegen zwei Uhr nachts schleudern fünf Jugendliche einen Brandsatz in das Osloer „Cafe Blitz“, einem bekannten Treffpunkt der linken Szene der Stadt. 200 Menschen besuchten gerade ein Rockkonzert, doch verletzt wird niemand, denn die Rockfans konnten den Brand selbst löschen. „Wir werden ständig über Telefon oder in Briefen bedroht“, sagt ein „Blitz„-Sprecher und erklärt, daß im „Blitz“ in den letzten Wochen viele anti-rassistische Aktionen organisiert worden seien.

„Die Jugendlichen waren alkoholisiert“, wiegelt jedoch ein Polizeisprecher den Anschlag ab. Doch welcher Jugendliche ist am Wochenende in Norwegen nicht alkoholisiert? „Es gibt bisher nichts, das darauf hindeutet, daß die Attentäter aus einem politisch extremen Umfeld kommen“, sagte auch ein Polizeisprecher in Eidsvoll.

Dennoch riefen die Anschläge in dem kleinen Land Bestürzung hervor. Denn Gewaltausbrüche gegen Minderheiten sind in Norwegen nur unter der deutschen Besatzung vorgekommen. Aber die Entwicklungen in Mitteleuropa scheinen sich auch in Skandinavien zunehmend bemerkbar zu machen. 15,5 Prozent der WählerInnen würde die rechtspopulistische „Fortschrittspartei“ nach Meinungsumfragen erhalten, und damit wäre sie die drittgrößte Partei des Landes, wenn demnächst Wahlen wären. „Ruhe und Ordnung“, niedrigere Steuern und „weniger Einwanderer“ stehen ganz oben auf dem Programm der „Fortschrittspartei“. Mit Blick auf die Parlamentswahlen im September, schlug der Vorsitzende der Partei, Carl I. Hagen, vor, alle „Sonderbegünstigungen für Einwanderer“ abzuschaffen. Das hieße nach seiner Meinung: „Keine billigen Bausparkredite mehr für die Neuankömmlinge, keine öffentliche Unterstützung ihrer Interessenorganisationen mehr und muttersprachlicher Unterricht nur gegen Bezahlung.“ Eine „Volksbewegung gegen Einwanderung“ füllt derzeit die Postkästen mit Parolen gegen Ausländer. Von Flüchtlingen, die mit öffentlichen und privaten Transportmitteln kostenlos befördert werden, auf Kosten des Sozialamts überall einkaufen können und von der Wehrpflicht befreit sind, ist darin die Rede. die Propaganda von den „Schmarotzern des Wohlfahrtsparadieses“ kommt an.

Denn mittlerweile verfehlt die Stimmungsmache gegen Ausländer offensichtlich auch bei der sozialdemokratischen Regierung nicht ihre Wirkung. Denn dort hat man seit längerem ein neues Ausländergesetz in der Schublade, das eher den konservativen Ideen einer bundesdeutschen CSU nahesteht, als einem modernen Wohlfahrtsstaat. Vorgesehen ist eine Meldepflicht für diejenigen Norweger, die einen Ausländer beherbergen und die Ausweisung derjenigen Fremden, die ihren „Unterhalt nicht sichern“ können. Sogar die Folter soll nach den Vorstellungen der Justizministerin Helen Bösterud kein Grund mehr für die Aufnahme als politischer Flüchtling sein.

Übrigens sind knapp drei Prozent der viel Millionen Einwohner des Fjordlandes Ausländer. Die Mehrzahl von ihnen stammt aus den nordischen Bruderländern Schweden, Dänemark und Finnland.