Solidarnosc setzt auf IWF und Weltbank

■ Lech Walesa übergab Wunschliste an George Bush / Kredite und Spenden gefordert / Wirtschaftliches Anpassungsprogramm angestrebt / Gelder sollen nur unter konkreten Bedingungen vergeben werden / Deutsch-polnisches Umschuldungsabkommen ausgehandelt

Berlin (taz/dpa) - Die polnische Gewerkschaft Solidarnosc setzt auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, um die Wirtschaft des Landes aus der katastrophalen Lage herauszuführen. Die Ausarbeitung eines Anpassungsprogramms mit dem IWF und Projektkredite durch die Weltbank sind zwei Teile eines Wunschkataloges, den der Solidarnosc-Vorsitzende Lech Walesa dem US-amerikanischen Präsidenten George Bush bei dessen Polen-Besuch übergab. Die Liste läuft auf Finanzhilfen von rund zehn Milliarden Dollar (umgerechnet etwa 18,4 Milliarden Mark) hinaus und übersteigt damit bei weitem die Zusagen von wenigen hundert Millionen Dollar, die Bush in Aussicht gestellt hatte.

Ausdrücklich verlangt Solidarnosc, daß jede Hilfe an konkrete Bedingungen geknüpft ist und vor allem an Privatunternehmen gehen soll. Die Verwendung der Gelder jedoch, die nicht an Private fließen, sollten nicht der Kontrolle der Verwaltung unterstehen, sondern dem Parlament. Programmatisch wird in dem Papier die Entmonopolisierung der Wirtschaft, die Schaffung einer Wertpapierbörse und der Übergang zur Konvertibilität des Zloty gefordert. Derweil einigten sich gestern das Bonner Finanzministerium und die polnische Regierung auf ein Umschuldungsabkommen für das mit 39 Milliarden Dollar am höchsten verschuldete Ostblockland. Das Abkommen soll in den nächsten Tagen unterzeichnet werden. Die Fälligkeiten bundesverbürgter Exportkredite aus den Jahren 1986 bis 1988 und ungebundener Finanzkredite in Höhe von insgesamt 2,5 Miliarden Mark wurden dadurch verschoben. Rund zwei Drittel der Gesamtschulden Polens fallen auf die staatlichen Kreditgeber des Pariser Klubs, wobei die Bundesrepublik größter Gläubiger ist.

Auf der Wunschliste Lech Walesas steht ferner „fresh money“: Kredite und Spenden von westlichen Ländern also, die in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren unter anderem in Form von unentgeldliche Lebensmittellieferungen aus EG-Überschüssen bestehen sollen. Außerdem müsse Polen der Gruppe der hochverschuldeten Länder zugerechnet werden, um in den Genuß von Schuldenerleichterungen im Rahmen des „Brady-Plans“ zu kommen. Die Initiative des US-Finanzministers läuft auf die Verringerung des Schuldenstandes oder der Zinsverpflichtungen hinaus - beides vom IWF und der Weltbank finanziell unterstützt. Im Gegenzug für das Anpassungsprogramm des IWF soll Polen als Fonds -Mitgliedsland 2,1 Milliarden Sonderziehungsrechte (rund 2,7 Milliarden Dollar) ausleihen. Die erhoffte eine Milliarde Dollar an Weltbankkrediten will man unter anderem in die Forcierung der Marktwirtschaft und Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose stecken. Beim Pariser Klub setzt man darüber hinaus auf eine hundertprozentige Umschuldung aller staatlichen bzw. staatlich verbürgten Kredite um drei Jahre.

Für die Lösung der Schulden bei den privaten Geschäftsbanken schwebt den Solidarnos-Experten ebenfalls Marktwirtschaftliches vor. Die polnischen Schuldpapiere sollen verstärkt auf dem „Second-Hand-Markt“ für Schulden gehandelt werden. Dabei erhofft man sich offenbar zwei Erleichterungen für Polen. Zum einen könnte das Land selbst einige seiner Schulden verbilligt zurückkaufen - eine Variante, die die Banken in der Regel bislang ausschließen wollten, weil sie grundsätzlich bei jedweder Schuldenregelung alle streng gleichbehandelt werden wollten. Gleichwohl ist ein solcher - auch durch den IWF subventionierter - Schuldenrückkauf inzwischen Bestandteil des Brady-Planes der US-Regierung. Derzeit werden die Polenkredite jedenfalls zu 39 Cent pro Dollar des ursprünglichen Nennwertes gehandelt, wie die Deutsche Bank auf Anfrage mitteilte.

Eine andere Möglichkeit bestünde darin, daß ein „dritter“ Käufer mit dem Papier zur polnischen Zentralbank geht und sich den Betrag zu Investitonszwecken im Lande in Zloty ausbezahlen läßt. Solche „Debt-to-Equity„-Aktionen, bei vielen Drittweltstaaten üblich, sind im Falle Polens bislang kaum bekannt. Lediglich der Plan eines Hotelneubaus in Warschau hat hier vor wenigen Monaten für Aufmerksamkeit gesorgt. Immerhin könnte das Land dadurch einige Devisen einsparen, die ansonsten in die Zinszahlungen gingen.

Ulli Kulke