Unternehmen etwas frauenfreundlicher

Auch bei Daimler-Benz können Frauen und Männer jetzt eine „Familienpause“ bis zu 10 Jahren machen / Rückkehrgarantie auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz / Erfahrungen aus anderen Unternehmen: Nur wenige Frauen und kaum Männer machen davon Gebrauch  ■  Von Helga Lukoschat

Berlin (taz) - Die Großunternehmen der Chemieindustrie machten den Anfang, der Autobauer AudiAG in Ingolstadt folgte nach, und nun war es auch für das größte deutsche Unternehmen, die Daimler-BenzAG, offenbar höchste Zeit, den Anschluß an eine Betriebspolitik mit frauenfreundlichem Touch nicht zu verpassen: Wie bereits kurz berichtet, trafen rückwirkend zum 15.Juni Unternehmensleitung und Gesamtbetriebsrat die Betriebsvereinbarung Familie und Beruf. Danach können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine „Familienpause“ einlegen und erhalten gleichzeitig die Zusage, auf einen vergleichbaren (!) Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Im Anschluß an den gesetzlichen Erziehungsurlaub beträgt die Pause sieben Jahre bei einem und bis zu 10 Jahren bei mehreren Kindern, die in diesem Zeitraum geboren werden. Sofern beide Eltern bei Daimler beschäftigt waren, können sie sich einmal während dieser Zeit abwechseln. Voraussetzung für die Familienpause ist eine Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren. Um die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern, sollen entsprechende Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Die Betriebsvereinbarung gilt für die MitarbeiterInnen der Konzernzentrale Inland sowie für die Mercedes-BenzAG, beide in Stuttgart.

Hat der jahrelange Refrain der PolitkerInnen von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nun als erstes die Großindustrie überzeugt? Für Tom Adler vom örtlichen Betriebsrat in Stuttgart-Untertürkheim war bei Daimler eine derartige Vereinbarung schlicht „ein Muß“, vor allem nachdem Audi 1988 eine „Familienpause“ eingeführt hatte. Schließlich hätten die öffentlichen Debatten über die Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben gezeigt, wie notwendig es ist, „so etwas auszuhandeln“. Kritische Anmerkungen zu einzelnen Punkten der Vereinbarung gibt es dennoch: So ist der Punkt, daß der Arbeitsplatz im selben Werk beziehungsweise derselben Niederlassung zu liegen habe, lediglich eine Sollbestimmung, die dem Unternehmen Spielraum läßt. Ferner konnte sich der Betriebrat nicht mit seinen Forderungen durchsetzen, die Familienpause voll auf die betriebliche Altersversorgung anzurechnen. Sie zählt jetzt nur zu einem Drittel. Kritik hat Tom Adler auch an der Einschränkung der fünfjährigen Betriebszugehörigkeit: „Wer mit 25 bei Daimler anfängt, möchte wahrscheinlich nicht noch fünf Jahre warten mit dem Kinder kriegen.“

Eine Erleichterung für Berufsrückkehrerinnen stellen die Vereinbarungen der Großunternehmen sicher dar: So klagen nach Analysen der Bundesanstalt für Arbeit 27 Prozent der Frauen über große oder sehr große Schwierigkeiten, wenn sie in den Beruf zurückkehren wollen. Und nur jeder sechsten Frau gelang es, im gleichen Betrieb wieder angestellt zu werden. Konkret heißt das, daß die meisten Frauen nach der „Familienphase“ sich mit einem weniger qualifizierten Arbeitsplatz und geringerem Einkommen zufriedengeben und ebenso auf viele betriebliche Leistungen, die sich nach den Jahren der Betriebszugehörigkeit bemessen, verzichten müssen. Gleichzeitig aber haben mehr verheiratete Frauen denn je den Wunsch, die Berufsunterbrechung möglichst kurz zu halten.

In der Praxis zeigt sich, daß das Angebot der Großunternehmen nur sehr spärlich in Anspruch genommen wird. Bei Vorreiterin BASF, die bereits 1986 die Familienpause einführte, waren es im Jahr 1988 nur 30 Frauen und ein Mann. Und das bei rund 50.000 Beschäftigten. Ausschlaggebend für diese Zurückhaltung dürften finanzielle Gründe sein. Der Verzicht auf das volle Einkommen eines Elternteils ist für eine Familie mit einem oder mehreren Kindern oft einfach nicht machbar. Bei Audi trat die Vereinbarung im Herbst 88 in Kraft, bisher meldeten sich 12 Frauen. Großen Zuspruchs erfreuen sich dagegen nach Auskunft des Betriebsrats die Angebote des Unternehmens, auf Teilzeitarbeitsplätze zu wechseln, wenn ein Kind kommt. Teilzeitarbeit mit allen finanziellen und Karrierenachteilen wird offenbar von den Frauen als „kleineres Übel“ akzeptiert.

Auch bei Daimler sollen nach Vorstellung der Unternehmesleitung die Teilzeitarbeitsplätze ausgebaut werden. Die Vereinbarung Beruf und Familie versteht die Unternehmsleitung ohnehin als einen „Baustein“ in einem umfassenderen Frauenförderprogramm. „Wir stehen im Ruf, ein Männerunternehmen zu sein“, erklärte Personalvorstand Manfred Gentz. Tatsächlich sind von den mehr als 170.000 Beschäftigten der Mercedes-BenzAG und der Konzernzentrale Daimler-Benz Inland nur 12 Prozent Frauen. Unter den 13.500 Führungskräften sind 2,1 Prozent weiblichen Geschlechts, und bei den Facharbeitern beträgt ihr Anteil gar nur verschwindend geringe 0,8 Prozent. So ist die angestrebte Frauenförderung schlicht der Furcht zu verdanken, in absehbarer Zeit nicht über genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu verfügen: Manfred Gentz: „Wir brauchen das Potential der Frauen.“