Zwingt Grün raus - zwingt Grau rein

■ Mit der Gründung einer eigenen Partei „Die Grauen“ haben sich die „Panther“ von den Grünen getrennt

Für die Panther-Vorsitzende Trude Unruh war es ein „historischer Augenblick“, als gestern im Münchner Hofbräuhaus die neue Alten-Partei offiziell gegründet und sie selbst (mit 94 von 120 gültigen Stimmen) zur Vorsitzenden gewählt wurde. Wahlforscher sind da anderer Meinung: Sie geben einer solchen Ein-Punkt-Partei wenig Chancen. Und die Grünen hatten noch gestern gewarnt: „Graue Parteipolitik zersplittert die politischen Kräfte und schwächt glaubwürdige Altenpolitik.“

„Hier wird passieren, was Trude bestimmt“, meint die agile 60jährige und zuckt mit den Schultern. Eilig verschwindet die zierliche Frau mit dem grauen Bubikopf wieder im Festsaal des Münchner Hofbräuhauses. Ihren Namen will sie nicht nennen. Und so sieht es drinnen aus: „Du machst das Protokoll, du machst den Wahlleiter.“ Trude Unruh, Vorsitzende des Seniorenschutzbundes „Graue Panther“ sitzt auf dem Podium und bringt ihre Leute auf Vordermann. Ene Frau, die sich ihr während der Stimmenauszählung nähert, faucht die 64jährige an: „Du doch nicht, ich möchte jetzt die Helferin hier sehen!“ Die Vorstandswahlen werden in offener Abstimmung durchgezogen. Und sie schafft es gleich zweimal, zur Vorsitzenden gewählt zu werden - erst als Chefin des Seniorenschutzbundes, dann auch noch der neuen Partei.

Die Diskussion um die Parteigründung beginnt am Dienstag mit rund 400 Delegierten. „Wir wollen, weil unsere Gemüter jetzt vielleicht erhitzt werden, ein Lied singen“, schlägt die ehemalige Chefsekretärin Trude Unruh vor. Zuvor jedoch tönt der Kampfruf der Grauen Panther durch den Saal: „Immer“ - „dabei“.

„Wir verstehen uns als absolut überparteilich, und dieses Prinzip wird dadurch durchbrochen“, Panther Willi aus dem hessischen Raum ist von vornherein gegen die Parteigründung. „Ich hab einmal einer Partei angehört, und das hat gereicht“, gibt der 66jährige Exportkaufmann zu verstehen. Und die 47jährige Heide Raditozwski aus Bremen, die zwei Tische weiter sitzt, kündigt an: „Ich werde dagegen stimmen.“ Sie findet die Gründung einer Partei verfrüht.

Zitternd hält der 79jährige Fred Braun das Mikrophon in der Hand. Der Karlsruher wagt es als erster, offen auf dem Podium gegen die Parteigründung zu sprechen. „Ich glaube, daß die Gründung einer Partei verhängnisvoll ist.“ Er gibt der neuen Partei keine Chance, die 5-Prozent-Hürde zu überspringen. „Ich glaube, daß die drei bis vier Prozent der Linken fehlen werden.“

„Die Außenstelle Schweinfurt wird die Parteigründung weder unterstützen noch mittragen“, verliest Maria Müller ihre Stellungnahme. Es habe sich gezeigt, daß politische Parteien aufgrund einseitiger Fixierung hemmend seien und die Ausstrahlungskraft des Seniorenschutzbundes nicht zuletzt von seiner Unabhängigkeit herrühre. „Bravo“, tönt es im Saal. Einwände kommen auch aus der Göttinger „Außenstelle“. Die Grauen Panther dort fühlen sich an die Weimarer Zeit erinnert und warnen vor „zu vielen Parteien“. Ein SPD -Mitglied aus Hagen will es auch bleiben und nicht bei den Sozialdemokraten austreten müssen. In der neuen Satzung der Partei heißt es nämlich: „Die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen politischen Partei ist mit der Mitgliedschaft unvereinbar.“

Trotzdem sollen die Wahllisten der „Grauen“ zur Hälfte auch aus Mitgliedern anderer Parteien bestehen. Ihre Aufnahme hängt jedoch von der Zustimmung eines neunköpfigen Kontrollrats ab. Während eine junge Frankfurterin mit Austritt bei den Grauen Panthern droht, gibt ein Herr im weißen Hemd und Krawatte seinen Austritt aus der CDU bekannt und ist begeistert von der Vorstellung einer neuen Partei.

„Gründn di jetz a Partei?“ fragt der Breznverkäufer des Hofbräuhauses und schüttelt den Kopf. „I bin seit i siebzehn war mei eigene Partei und des is gscheitste.“ Die Mehrheit der Grauen Panther ist da jedoch anderer Meinung. Bei 84 Gegenstimmen erklärt sich am Dienstag nachmittag die Versammlung des Seniorenschutzbundes mit Trude Unruhs Antrag einverstanden, daß die Partei „Die Grauen“ ein „Kind der Grauen Panther“ werden. Und so konnte Helmut Unruh am nächsten Tag bei der offiziellen Parteigründung stolz verkünden: „Das ist eine historische Stunde.“

Weniger stolz können er und seine Ehefrau auf die Zahl der anwesenden Gründungsmitglieder sein: Von den rund 400 Delegierten sind zwei Drittel schon voher abgewandert: Nur noch 135 Panther stimmen für die Partei, eine Gegenstimme ist übriggeblieben, und zwei Delegierte enthalten sich.

Doch davon wird die Gründungseuphorie nicht beeinträchtigt. Friedenspolitik soll neben der Sozialpolitik ein wichtiger Programmpunkt der neuen Partei werden. Aber auch als „Bollwerk“ gegen die ultrarechten „Republikaner“ fühlt sich die neue Überpartei. Außerdem sollen die Parteigremien zur Hälfte mit Frauen besetzt werden, weil die Trümmerfrauen einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der BRD geleistet haben. Die Hälfte aller Listenplätze soll jedoch nach wie vor Mitgliedern der Grauen Panther zur Verfügung gestellt werden. In rund vier Wochen soll in München nochmals ausführlich über Satzung und Programm diskutiert werden. Bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr wollen die „Grauen bereits mitmischen“.

„Kein Geld hams, keine Personen, wie soll das gehen“, meint der ältere Herr mit Gehstock zu seiner Frau. Sie haben der Versammlung den Rücken gekehrt und sind schon am Mittag auf dem Heimweg.

Luitgard Koch