Anti-AKW-Katastrophe

■ Beinahe-GAU in Stade läßt Bremer Anti-AKW-Oldies schlecht schlafen

Seit der Bremer Atomphysiker und Anti-AKW-Aktivist Jens Scheer erfuhr, was im vergangenen Herbst in Stade passierte, schläft er schlecht. „Wir sind damals knapp an etwas vorbeigeschrammt, was noch schlimmer gewesen wäre als Tschernobyl“, sagte er am Mittwoch abend vor knapp 50 TeilnehmerInnen der Gründungsversammlung einer neuen „Bürgerinitiative“ gegen das gefährlichste aller bundesdeutschen AKWs. „Daß sie noch leben, verdanken viele von uns nur einem glücklichen Zufall“, sagte Scheer. Durch Fehler der Bedienungsmannschaft auf einen Defekt im Kühlkreislauf des Alt-AKW sei damals ein dickes Metallrohr in starke Schwingungen versetzt worden. Wäre es geplatzt, hätte zwangsläufig die Notkühlung im AKW-Inneren ausfallen müssen. Die Folge: Kernschmelze und eine radioaktive Wolke, die im 100-Kilometer-Umkreis erheblich konzentrierter gewirkt hätte als die durch einen Feuersturm in höhere Luftschichten getragene Radioaktivität aus Tschernobyl.

„Ich komme mir selbst etwas komisch vor, immer wieder mit Stade zu kommen“, gestand Scheer der kleinen Versammlung „besorgter Bürger“ und viele nickten zustimmend. Zu oft schon haben sie mit Unterschriften und Demonstrationen vor der Gefahr gewarnt. „Am Ende haben wir doch gedacht, in unserer Lebenszeit kommen wir nochmal so durch“, faßte Scheer die Stimmung der Anti-AKW-Oldies zusammen. „Und im Augenblick ist die Reaktion sogar wieder auf dem Vormarsch“, ergänzte der Ex-SPD-Vorsitzende Herbert Brückner, der zusammen mit der Leiterin der Gleichstellungsstelle, Ursula Kerstein, den Beschluß des SPD-Landesparteitags, „Bürgerinitiativen gegen das AKW Stade“ zu gründen, wörtlich genommen hatte.

Einigkeit im Bewußtsein der radioaktiven Gefahr, Einigkeit in der Forderung nach Ausstieg aus der Atomenergie und Nutzung regenerativer Energiequellen und Einigkeit in der Ratlosigkeit, wie diese Dreieinigkeit der Anti-AKW-Bewegung in praktische Erfolge umzusetzen sei - in diesem altbekannten Kreis drehte sich auch am Mittwoch die kleine Versammlung. Was blieb, waren knapp 50 Unterschriften auf einer Resolution, Stade nun wirklich sofort stillzulegen und die Drohung der grünen Abgeordneten Anni Ahrens: „Dies ist mal wieder unsere erste Veranstaltung, bestimmt aber nicht unsere letzte.“

Ase