Zersplitterte Verantwortung

■ Die Gesundheitsstadträte aller Parteien klagen über ihre Kompetenzlosigkeit beim Umweltschutz / Der Senat soll an den Verhandlungstisch gezwungen werden

Der Umweltschutzspagat zwischen den Anliegen und Beschwerden aus der Bevölkerung einerseits und den mangelnden bezirklichen Kompetenzen im Bereich Umweltschutz andererseits hat die Sehnen aller Gesundheitsstadträte mittlerweile weit überdehnt.

„Wenn wir in einem verseuchten Gebiet Bodenproben entnehmen wollen, dürfen wir das Grundstück gar nicht betreten“, beschrieb gestern der Steglitzer Gesundheitsstadtrat Udo Bensel (AL) den Alltag der Gesundheitsämter. Dort ist der Bereich Umweltschutz auf bezirklicher Ebene zwar angesiedelt, im Bedarfsfall ist jedoch die Hauptverwaltung zuständig: der Senat für Stadtentwicklung und Umweltschutz (SenStadtUm). Zentralistisch wacht er über seine Aufgaben als Genehmigungs- und Kontrollbehörde zugleich. Die wenigen noch verbleibenden kommunalen Umweltschutzaufgaben zersplittern sich zudem auf verschiedenste Ämter - so unterliegt die Überwachung von „Anlagen zur Lagerung wassergefährdender Stoffe“ dem Bau- und Wohnungsaufsichtsamt, lediglich für „verhaltensbedingten Lärm“, Abfallbeseitigung und Aufgaben des Bundesseuchengesetzes ist das Gesundheitsamt zuständig: „Im Zweifel bedeutet dies ein zu lautes Radio oder ein wilder Müllhaufen auf einem Grundstück“, bemängelt der Reinickendorfer Gesundheitsstadtrat Detlef Orwat (CDU). In seltenem Schulterschluß fordern daher alle Gesundheitsstadträte aus SPD, CDU und AL mehr Kompetenzen auf bezirklicher Ebene.

Bereits am 30.6. verabschiedeten deshalb die Gesundheitsstadträte aller Bezirke einstimmig den Beschluß, Umweltschutzaufgaben in die Bezirke zu verlagern und somit zu dezentralisieren. „Ein praktiziertes Modell der Verwaltungsreform“, nennt dies Orwat. Staatssekretär Klaus Groth (StadtUm) will diese Forderung jedoch erst dann umsetzen, wenn in den Bezirken bereits „leistungsfähige Einheiten“ entstanden sind: Hierzu fehlt es den Bezirken jedoch wiederum an Stellen; die drei pro Bezirk im Nachtragshaushalt zusätzlich genehmigten Stellen können eine derartige Aufgabe nicht erfüllen. Groth schiebt die Verantwortung auf das Landesamt für Arbeitsschutz und Technische Sicherheit: Wenn diese Behörde nicht mehr für den Umweltschutz zuständig sei, stünden Stellen für die Bezirksämter zur Verfügung. Dagegen wiederum hat sich neben dem DGB auch schon der Wirtschaftssenat ausgesprochen.

Die Zuständigkeiten werden also hin- und hergeschoben - nur die Umweltämter erhalten die von ihnen geforderten Kompetenzen bislang nicht. Bensel gibt sich dennoch optimistisch: „Wenn die Bezirksämter den Beschluß der Gesundheitsstadträte genehmigen, dann muß sich auch der Senat mit uns an einen Tisch setzen.“

Martina Habersetzer