Es spricht:

Cure Enrage Fritz von Klinggräft  ■ D A S G E I S T L I C H E W O R T

Was bleibt uns vom 14. Juli 1789? Welche Bahnen ziehen seine Universalien, seit an jenem Tag unter den Zinnen der Bastille, unter den aufgespießten Köpfen der Kommandanten de Launay eine Menschenmenge tanzte? U-s-w- die Menschenrechte, natürlich, die gibt's (ich kenne keine 'Menschen‘, sagen Konterrevolutionär de Maistre und andere), auch den verfaßten Liberalismus (wuchernder Organismus, von keiner guillotinierenden Mechanik je zu überwältigen), die Volksmassendemokratie (kommt hingegen immer im entscheidenden Augenblick zu spät), Aufruhr/insurrection (flieht, seit man ihr die alte Bestrafungslogik amputiert hat, heillos gen Versöhnung) ... usw.

Nur die Neunmalklugen sagen „Nichts“. „Nichts ist passiert, heute vor 200 Jahren. Nichts passiert seit 200 Jahren. Ein Symbol zog vorbei, als man eine Burg am Stadtrand von Paris zerkleinerte und zum Pflaster des Pont de la Concorde verarbeitete, das Symbol des just den Köpfen entsprungenen Alten Regimes. Seitdem werden wir die verfluchten Erscheinungen der Revolution nicht mehr los: die Bastille, seine Helden, die Insurrection, den Reichtum der Nationen, das Volk. Nur einer verstand, was geschah: „Nichts“, notierte der Dicke, Ludwig, in seinem Tagebuch am 14. Juli 1789, und er beschließt, statt wild um sich zu hauen, sich (und sein Volk) von seinem Haupte zu trennen. Denn die Zeit der Könige ist nicht mehr - und was er da vorbeiziehen sah, das wollte er nicht halten. Das Volk aber - wir können uns erst heute seiner großen Weisheit erschließen. Jenes Wort, das der Monarch heute vor 200 Jahren im Gestus der Beiläufigkeit seinem Tagebuch anvertraute, ziert dieser Tage (un)heilvoll vergrößert die Plakatwände der Hauptstadt jenes kulturellen Universals: „Nichts“. Feiern wir also heute beim „Bal populaire“ vor dem Reichstag unseren alten Gönner, den König? Beileibe nicht. Denn Ludwig, die fette Wachtel, hat uns mit seiner bösen Erkenntnis über den 14.Juli ein Testament hinterlassen, das uns den Spaß selbst an seiner eigenen Gestalt noch vermiest. Das Wort des Königs regiert, er aber hat sich davon gemacht.

So lasset uns mit dem heutigen Tage eintreten in das Zeitalter der Verblödung. Nicht den König feiern wir, nur noch sein Abschiedswort: Jerome Savary geht uns bei diesem Himmelfahrtsunternehmen voran. Vor dem Reichstag, unter den betörenden Dämpfen der Trikolore, lädt er ein zum Fest der Revolution.

Aber hören wir ihn selbst, den Göttlichen: „Unsere Jubiläumsfeier in Berlin wird um das Thema Kino gefeiert, einer außergewöhnlichen kulturellen Revolution und Symbol der Freiheit und Brüderlichkeit, die mit Hilfe von Meisterwerken und über die Grenzen und Unstimmigkeiten hinweg alle Kunstliebhaber vereint.“