Vereint im Leid

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(Kontext: “...und mußte mein Kind hergeben“, Mi., 12.6., 20.45 Uhr, ZDF) Memminger Richter haben sie salonfähig gemacht: Die Freigabe des Kindes zur Adoption wird im gesellschaftlichen Diskurs als Alternative zur Abtreibung behandelt. Fundamentalistische Lebensschützer, für die Abtreibung immer Mord ist, weil kein ungetauftes Kindlein sterben soll, haben damit einen wesentlichen Punktsieg errungen. Die anderen ziehen dann nach: Selbstverständlich möchte auch der Kirchenfunk im ZDF zu diesen Fragen um Leben, Tod und Frauen nicht schweigen.

Es kam, wie es kommen mußte: Frauen leiden. Schwer tragen sie an dem Kreuz, sich gegen das Kind entschieden zu haben. Glücklich und selbstsicher wird frau offenbar nur mit dem Ja zum Kind. Selbstverständlich macht sich keine Frau das Nein zum Kind einfach, aber muß sie deshalb jahrelang sich schämen und bedrückt sein? Im Beitrag von Britta Tröster tritt eine Frau auf, die sich nur von hinten filmen läßt und deren Stimme verzerrt wurde. Es gibt genügend Frauen - auch aus dem Umfeld der kirchlichen Beratungsstellen - die bereit sind, ihr Gesicht offen zu zeigen, wenn sie ihre Entscheidung für Abtreibung erläutern. Die sagen könnten, daß es eine gute Entscheidung war. Aber solche Frauen sind offensichtlich nicht mehr gefragt: Als glaubwürdig gilt nur diejenige, die depressiv wird.

Ohne einen eigenen Standpunkt auch nur anzudeuten, wird eine Frau vorgestellt, die ihr Kind zur Adoption freigab. Sie kann wenigsten ihr Gesicht zeigen, obwohl sie doch fürchten muß, als „Rabenmutter“ beschimpft zu werden. Elke sagt: „Ich konnte mich gefühlsmäßig ganz auf die Adoption einstellen“, und steht damit zumindest etwas besser da als die Namenlose, die unter Zeitdruck und Angst eine Abtreibung organisieren mußte. Elke ist zwar traurig, daß die Zusage, sie über das weitere Schicksal ihrer Tochter zu informieren, nicht eingehalten wurde. „Aber das muß ich eben akzeptieren.“

Ganz und gar ausgewogen will sich die „Kontext„-Redaktion im Streit um Abtreibung und die Entscheidungsfreiheit von Frauen geben. Das Ergebnis: Frauen werden dargestellt als Kreaturen, die dieser Freiheit nicht gewachsen sind, die gequält sind vom Zwang zur Entscheidung.

Nach Memmingen kann man sich nicht mehr zurückziehen auf solch scheinbare Ausgewogenheit. Man muß Position beziehen. Für starke, selbstbewußte Frauen - oder gegen sie.

Gunhild Schöller