Kehren neue Besen gut?

■ Das Adolf-Grimme-Institut unter seinem neuen Leiter Lutz Hachmeister

Kaum einen Monat im Amt, nutzte der neue Leiter des Marler Adolf-Grimme-Instituts (agi) und ehemaliger Medienredakteur des Berliner 'Tagesspiegel‘, Lutz Hachmeister, ein Pressegespräch am Montag dieser Woche, seine Konzepte für die zukünftige Arbeit des Adolf-Grimme-Instituts vorzustellen. Der neue Chef in Marl gab bei dieser Gelegenheit die Mitglieder von Jury und Vorauswahlkommissionen für die 26. Verleihung des wichtigsten deutschen Fernsehpreises bekannt. Er betonte, daß die Auswahl der Jury-Mitglieder neuerdings vor allem unter dem Aspekt vorgenommen werden verstärkt Journalisten aus kleineren und mittleren Regionalzeitungen zu berücksichtigen, um ihnen über die Mitarbeit in den Adolf -Grimme-Preis-Kommissionen den Zugang zu einer qualifizierten medienpolitischen Debatte zu ermöglichen.

Hachmeister begreift den Preis - europaweit gibt es keinen Medienwettbewerb mit einem höheren Etat - weniger als eine Jubelfeier für die Medienmacher als eine Veranstaltung zur Weiterqualifikation für Journalisten und Medienpädagogen in den Juries. Nicht zuletzt ist dieser Preis undotiert für die Gewinner. Der Etat von 520.000 DM wird vielmehr darauf verwandt, die Aufwendungen der Juroren zu decken.

Diese Neuinterpretation des Adolf-Grimme-Preises paßt nahtlos in die Rolle, die Hachmeister in der nächsten Zukunft für das agi anstrebt: Er will das Marler Institut kontinuierlich als ein, besser: das Zentrum für Medienkritik etablieren. Dabei fühlt sich Hachmeister von der nordhrein -westfälischen politischen Administration unterstützt, die „ein großes Interesse“ an einem „angesehenen intellektuellen Zentrum der bundesdeutschen Mediendebatte“ in ihrem Lande habe. Vielleicht hat die SPD Nordrhein-Westfalens nach ihrer jüngst sichtbar gewordenen verschärften Zuwendung zum privatwirtschaftlich orientierten Medienmarkt (s. taz v. 22.6.89) gerade gesteigertes Interesse an einem Alibi -Institut.

Das agi soll in diesem Zusammenhang schon in naher Zukunft durch drei konkrete Objekte diese neue Rolle einnehmen. Für den November kündigte Hachmeister an, erstmals „Marler Tage der Medienkultur“ zu veranstalten, auf denen Politiker, Journalisten, Medienkritiker und Publikum das „Medienthema des Jahres“ diskutieren sollen: die Barschel-Affäre. Dabei will das agi auch eine angestrebte Erweiterung der Medienkritik auf andere Medienbereiche erproben: Der zweite Tag der Veranstaltung knüpft sich vor allem die Behandlung des Falles Barschel in den Zeitgeist-Magazinen vor.

Für den Sommer 1990 kündigte Hachmeister ein „Festival des Fernsehspiels“ in Zusammenarbeit mit der Berliner Akademie der Künste an, eine Werkschau der derzeitigen Fernsehspielproduktion der bundesdeutschen Anstalten. Begründung für das Festival: Die Fernsehspielmacher in Deutschland seien zu sehr isoliert und wären kaum noch zu einer Kritik untereinander und einem Austauch ihrer Produkte fähig.

Vielversprechend ist auch noch ein weiteres neues Projekt des Instituts: Es will zukünftig ein Jahrbuch der Fernsehkritik herausgeben mit Essays zur Medienentwicklung, exemplarischen Kritiken des zurückliegenden Jahres und einem Serviceteil mit wichtigen Adressen von Kritikern und Medienschaffenden.

Ob der neue Besen besser kehrt als der Vorgänger in der Leitung des Adolf-Grimme-Instituts - das wäre derzeit angesichts der Leistungen von Hans Jahnke vermessen zu sagen. Er scheint anders zu kehren, und das vielversprechend.

-boff