Die Wiederentdeckung des Nationalen

■ Claus Leggewies Analyse des Wahlerfolgs der „Republikaner“ / Der REP-Wähler ist „immer Opfer und nie verantwortlich“ / Die REPs stoßen in ein Vakuum, daß die CDU und auch die CSU nicht füllen können / Die Lebenslüge der Union von der Wiedervereinigung fordert ihren Preis

Um es gleich vorwegzusagen, das Buch von Leggewie ist keine Enthüllungsgeschichte über die „Republikaner“, keine Under -cover story im Sinne von Ich war dabei. Verwendet wird nur offen zugängliches Material, angereichert durch Interviews und Reportagen verschiedener Autoren.

Trotzdem ist es die spannendste und informativste Publikation, die derzeit über die REPs auf dem Markt ist. Was Leggewie macht, ist Ursachenforschung im politischen Kontext, er sucht und findet eine Antwort auf die Frage, warum die REPs entstanden sind und warum jetzt.

Ausländerhaß, Wohnungsnot, Parteienfrust - die zumeist genannten Gründe für den Aufstieg der „Republikaner“ sind eher Beschreibungen gesellschaftlicher Problemlagen, die für sich genommen auch ganz andere Reaktionen als die Wahl einer rechtsextremistischen/rechtsradikalen Partei hätten hervorbringen können.

Baumeister allein, so Leggewie, retten die Republik nicht vor den „Republikanern“. „Der Erfolg der REPs in Berlin ist die grob vereinfachende Antwort auf die 'Krise der Stadt‘ in einem ganz umfassenden sozialökologischen und kulturellen Sinne. Er ist eine in sich selbst unpolitische Reaktion auf den Verlust des Politischen.“

REPs wählt, wer die banal-komplizierte Wirklichkeit nicht mehr aushält - rechtsextremes Wahlverhalten ist ein durch und durch gleichgültiges und verächtliches Verhalten gegenüber der Gesellschaft. Für Leggewie ist der REP-Wähler der Prototyp desjenigen, „der für nichts kann, immer Opfer, nie Täter und in keinem Fall verantwortlich ist“.

Dieser Befund findet seine Erklärung im Blick zurück. Die Frage „Warum REPs jetzt?“ erfordert einen Rückblick in die Geschichte der Bundesrepublik, an dessen Ende wiederum eine Frage steht: War die Berliner Wahl 1989 eine Zäsur in der Geschichte der Zweiten Republik?

Folgt man Leggewie, wird diese Frage - zwischen den Zeilen zwar, aber letztlich doch eindeutig - mit ja beantwortet. Genauer gesagt: nicht die Wahl der REPs ist die Zäsur, sondern ihr Erfolg macht deutlich, daß nach 40 Jahren eine Ära Bundesrepublik beendet und in sich abgeschlossen ist.

Um diese These zu belegen, hat Leggewie in weiten Teilen eher ein Buch über die CDU/CSU als über die Republikaner geschrieben. Zu den interessantesten Passagen gehört die analytische Darstellung der CDU-Erfolgsgeschichte in den 50er Jahren, der Kanzlerwahlverein als Volkspartei, die Modernisierung der Rechten, die es dennoch schafft, die Hegemonie im konservativen Lager bis ganz nach rechtsaußen aufrechtzuerhalten.

„Erst wenn die 'Vergangenheitsbewältigung‘ zu Ende sei“, so zitiert Leggewie den rechten CDU-Kritiker Armin Mohler, „wenn das Nationale wiederentdeckt und nach außen Äquidistanz zu den USA wie zur Sowjetunion hergestellt sei, werde diese Hegemonie gebrochen werden.“

Mithin, die außenpolitischen Konstellationen für eine neue Rechte sind günstig wie nie zuvor in der Geschichte der BRD. Der Schlußstrich Gorbatschows unter die Vergangenheit erteilt auch denjenigen die Absolution, die den „Demutskonservativismus“ endlich wieder gegen die deutsche Nation austauschen wollen.

Die Wiederentdeckung des Nationalen ist in vollem Gange und geht bereits so weit, daß selbst ein Gremlizza ganz unironisch in konkret fordert: „Ami, stay here!“

Unter diesen Vorzeichen fällt es verständlicherweise der CDU schwer, ihren Laden zusammenzuhalten und dem deutsch -nationalen Drittel der Partei weiterhin das Bekenntnis zur Westbindung abzuringen, statt den Träumen von neuer (Wiedervereinigten-)Größe freien Lauf zu lassen.

Hier stoßen die „Republikaner“ in ein Vakuum, das die CDU und letztlich auch die CSU nicht füllen können. Ohne die Zwänge der Union redet Schönhuber über Nato-Austritt, Wiedervereinigung und die Deutschlandfrage. „Die Wiedervereinigung“, so erklärt er Leggewie in einem Interview, „hat natürlich ihren Preis. Wir sind Partner der Nato, aber das kann uns nicht hindern, jetzt auszuloten, was der Preis wäre“. Und: „Wer sagt: ich bin Atlantiker forever, der gibt die Wiedervereinigung auf.“

Was soll Kohl zu der Alternative Westeuropa oder Wiedervereinigung schon sagen. Da die Union die offizielle Lebenslüge von der Wiedervereinigung nicht aufgeben will, in ihrer praktischen Politik aber weiter auf die West -(EG)Integration setzt, bleibt den REPs ein breiter agitatorischer Spielraum. In diesem Umfeld, so Leggewie, scheitert die Union an der politisch notwendigen „dritten Modernisierung“ der Partei. Die Modernisierer im Adenauer -Haus „sind an die Grenzen des Handlungsspielraums gestoßen, den eine rechte Mitte in der Bundesrepublik 40 Jahre nach Kriegsende hat“. Damit verliert die CDU ihre Integrationskraft als Voraussetzung für die Hegemonie im rechten Lager. Deshalb Schönhuber jetzt.

Wenn die Diagnose stimmt, ergibt sich daraus auch eine Therapie. Die REPs politisch bekämpfen, bedeutete dann die Wiederentdeckung des Politischen durch die Möglichkeit der politischen Partizipation in einer „nach innen liberalen Republik“ und der bewußte, offensiv vertretene Verzicht auf den „geopolitisch bestimmten 'Machtstaat‘ deutscher Nation“.

„Rot-Grün, die Enkel Brandts und die Erben der Revolte von 68 hätten damit die Chance (und die Pflicht), das Erbe Adenauers auch um die offizielle Lebenslüge der Wiedervereinigung, um die metapolitischen Sprengsätze einer 'Anschluß'-Rhetorik zu entschärfen. Das Deutsche Reich wäre endlich auch für die politische Kultur gestorben.“

Jürgen Gottschlich

Claus Leggewie, REP - Phantom einer neuen Rechten, Rotbuch Verlag, 1989, 156 S., DM 14,00