Post aus der Moderne: 25. Messidor

Paris, den 17ten Julius 1789 (Journal des Luxus und der Moden) - Erwarten Sie dießmal keinen Bericht aus dem Reiche der Moden von mir. Paris ist seit einem Monate nicht mehr die Vaterstadt und Wiege der Moden, nicht mehr das leichtblütige, frivole Volk, das über Alles so gern lacht, und sogar über sein eigenes Elend witzige oder unwitzige Calambourgs macht; eine drohende Hungersnoth, Despotismus und die abscheulichste Minister-Cabale haben es, wie durch einen Zauberschlag umgeschaffen, und ich habe seit fünf Ta

gen Scenen erlebt, von

denen ich mir auch nicht

im Traume die Möglich

keit gedacht hätte, so

was jemals hier in Paris

zu sehen. Die unglück

liche Seance Rojale den

23.Junius bewirckte

zwar den 29sten Junius

die Vereinigung des

Etats generaux, brachte

aber die Gährung des

Volcks, das die Feßeln,

die ihm angeschmiedet

werden sollten, wohl

klirren hörte, auf den

höchsten Punckt, und

Herrn Neckers, des großen, edlen Mannes, Fortschickung zum drittenmale, sprengte die fürchterliche Mine, die schon lange fertig war, und nur einen solchen Zünder zur Explosion erwartete. Ich erspare Ihnen die Chronick der letzten fünf Tage, seit dem 13ten dieses, davon Sie das Allgemeine aus den Zeitungen Europas erfahren werden. Wer kann sie schreiben, und alle die großen, äußerst intereßanten, zum Theil auch schrecklichen Tableaux, die diese Woche in unsern Mauern aufgestellt hat, zeichnen und ausführen? Genug wer hier nicht sieht und erkennen kann, daß Aufklärung den Menschen und eine Nation veredle und glücklich mache, möchte wohl nicht viel scharfsichtiger seyn, als ein Maulwurf. Wer kann den Aufstand von Paris eine Rebellion gegen den König, und die Monarchie nennen? Das aufs äußerste getriebene Volck that nichts, als es zerbrach, wie ein edler Löwe, die schändlichen Feßeln des Despotismus, die es schon so lange mit unglaublicher Gedult getragen hatte, und die man ihm jetzt unerträglich zu machen begonn, da man ihm sogar seinen Freund und Vorsprecher, von dem es allein noch Rettung hoffen konnte, durch einen Schritt der Autorität entriß; es riß einem Paar Hochverräthern ihres Vaterlandes in der ersten Wuth die Köpfe herunter, und zerstörte die Bastille, das verhaßte Monument einer mehr als Asiatischen Freygewalt. Es wollte nichts als seinen gemißbrauchten und irregeführten König endlich durch Ernst nöthigen, gerecht und billig gegen sein Volck zu seyn, sich einer Rotte Verräther, die mit ihm die Krone theilen und das Mark der Nation aussaugen wollten, zu entreißen, und sich selbst nicht unglücklich zu machen. Und als dieß geschehen war, stellte es sogleich Ordnung und Ruhe wieder her, formirte eine reguläre Stadt-Miliz, ernannte sich einige der edelsten Männer zu außer ordentlichen Commißarien, gehorchte ihren Verordnungen aufs strengste, sorgte für die Nothleidenden Mitbürger, und gab seinem zurückkommenden sich wieder in die Arme seiner treuen Nation werfenden Könige aufs neue Beweiße seiner Liebe und unerlöschlichen Pflichtheit. Dieß alles war das Werk von vier Tagen, und dabey im Ganzen kein einziger inconsequenter Schritt; kein Schatten von einem wilden Hange zu bloßer Revolte, und Zügellosigkeit. Von welchem andern Volke als von einem aufgeklärten, das seine Rechte, aber auch seine Pflichten und Schranken, in welchen allein es glücklich seyn kann, genau kennt, kann man so was erwarten? Solch eine zweckmäsige Energie mit so viel weiser Mäsigung verbunden, hoffen? O hätte doch Voltaire noch diesen großen Triumph erlebt! Ihm gebührt ohnstreitig ein Blatt aus diesem Lorbeer -Kranze der Aufklärung. Die kleine Promenade welche man am Dienstage den 14ten dieses, die beyden Köpfe des Delaunay und Flesselles, auf Piken gesteckt, durch die Stadt machen ließ, setzte die Minister-Köpfe von der Cabale zu Versailles selbst in solche Verlegenheit, daß noch am nemlichen Tage gegen Abend die ganze Rotte böser Geister, welche den König beseßen hatte, ihn verließ, und über Hals und Kopf, theils verkleidet entflohe, theils sich in den Schutz der nahen Armee begab, und einem Paar guten Engeln Platz machte, die nun zum Könige traten und ihm das Bild seiner Lage und seiner Nation wahr und treu zeigten. Der König bestürzt und innigst gerührt, beschloß auf der Stelle Neckers Zurückberufung, kam am Mittwoch den 15ten in die Nationalversammlung, erkannte die Fehl-Schritte die er gethan, bath die versammelte Nation um Rath und Hülfe, gab Befehl zur Entfernung der Armee, womit - thöricht genug! die Aristokraten eine ganze Nation unterjochen wollten, die allein sie hält und bezahlt. Nun war noch ein saurer aber unerläßlicher Schritt zu thun, nemlich sich mit der hochbeleidigten und sehr gemißhandelten bonne ville de Paris wieder auszusöhnen. Auch diesen that der reuige König, und kam gestern selbst, und blos von der Bürgerwache begleitet, auf das hiesige Rathhauß. Als am Montage, den 13ten, sich die Bürgerschafft zu bewaffnen anfieng, waren augenblicklich blau und rothe Kokarden, als die Farben der Stadt, und das Signal der Freyheit der Nation, auf allen Hüthen. Man steckte sogar der Statue Heinrich IV. eine blau und rothe Kokarde auf den Huth, und ernannte ihn als Freund des Volks, so zu sagen zum Interims-Regenten der Nation. Eine eben solche Kokarde überreichte der Magistrat dem Könige auf dem Rathause als er für innigster Rührung selbst nur wenig sprechen konnte, aber seine Liebe zu seinem Volke durch einen seiner Begleiter zu erkennen gegeben hatte. Der König nahm die Kokarde, steckte sie zum Zeichen seiner Vereinigung mit der Nation auf den Huth, und zeigte sich damit öffentlich auf dem Balcon des Rathauses seinen Bürgern; und nun war ganz Paris nur Ein Freudengeschrey, welches der Donner der Bürger-Kanonen, das Lärmen der Trommeln, und Schwenken der Fahnen, immer aufs neue belebten. Blau und roth sind also jezt die zwey wichtigen Mode-Farben, die jeder Bürger, jeder rechtschaffne Franzos, und auch jeder Fremde, der seines Lebens sicher seyn will, hier tragen muß.

Wahr ists, der gestrige Aufzug der bewaffneten Bürgerschafft gab einen höchst mahlerischen Anblick. Die etlichen ausgeleerten hiesigen Zeughäuser und Rüstkammern hatten unsere Helden mit höchst verschiedenen und sonderbaren Waffen versehen. Da stunden welche mit Lanzen, mit Picken, mit Hellebarden, anticken Rondachen, Streit -Axten, alten Büchsen und Doppelhacken bewaffnet; dort eine Parthie Mönche, z.E. von den Mathurins, Bettelmönche, und sogar Barfüßer, Franziscaner und Kapuziner, die Säbel umgeschnallt, Musketen auf der Schulter, und die blau und rothe Bürger-Kokarde auf ihr Scapulier geheftet hatten, und voll Muth für die Nation zu fechten, in Reihe und Gliedern marschierten. - Kurz, die Nation arbeitet an ihrer Wiedergeburt, und ich hoffe sie soll glücklich seyn. 25.MESSIDOR