Revolutionsständchen

■ Bremer SchülerInnen feierten am Donnerstag Revolution

Täuscht das, oder schaut Bismarck nicht ein bißchen versteinerter auf Bremens Gute-Stube-Platz herunter? Als ahnte er schon, daß er zum Zeugen einer Revolution gemacht wird, ohne eisern durchgreifen zu können? Was dort unten als kleine Volksmenge brodelt, das ist schon heftig verdächtig. Olala, da wirbelt schon eine Trommel! Und seltsame, zum Teil rot-weiß-blau umringelte Gestalten, treten von einem Bein aufs andere. Das sind Fischweiber, Matrosen, Gesellenfrauen und Revolutionspädagogen, die frieren und warten auf Befreiung und Buten und Binnen. Aber weil eine Revolution, die man selbst machen soll, schneller gehen muß, gewinnen die Konterrevolutionäre Zeit und lassen es regnen.

Auf dem Bremer Rathausplatz proben die SchülerInnen nicht nur den Aufstand, sondern führen ihn als fixfertige Revolution auf. Ja, jene Geburtstags-Revolution aus Frankreich, die die BRD so multimedial beschäftigt, als wär's ein Stück von ihr.

Das theatralische Ereignis ist das vereinigte Ergebnis eines Revolutions-Chanson-Wettbewerbs, der vor kurzem aus Bremens Schulen lauter Revolutionsnester gemacht hat, nach einer Idee von Bernard Ginsbourger, L'Attache linguistique am Institut Francais. Hier auf dem Platz führt er die Regie. 110 SchülerInnen aus Bremen und Bremerhaven sind im aktiven (AG)Einsatz, 1000 Passive geben das gaffende Volk, (auch eine Revolution braucht Zuschauer), und haben dafür revolutionsfrei bekommen. Allerdings nur die Französischklassen!

Die Revolution läßt lange auf sich warten. Das Volk wird unruhig. Vor der Bürgerschaft warten kalte Fischweiber auf der kleinen Tribüne und wollen singen. Ein Freiherr, das ist der Herr von Knigge alias Schüler Hanno Balz, geht bleich, in Samt und Zopf und steif vor Würde durch die unaufgebrachte Menge. Der alte Herr lebte u.a. auch mal in Bremen und steht dafür, daß in Bremen schon damals über die Revolution nachgedacht wurde. Und wie denkt's heute? Für die zwei Schüler in Jetztzeit-genössischem Schwarz ist eine deutsche Revolution nach dem Anwachsen der Rechten nur noch eine Frage der Zeit. Der kleine Blonde kennt die Revolution schon aus der Schule. Bloß den rot-weißen Sonnenschirmen vor dem Deutschen Haus fehlt noch etwas Blau, und die vielen GoldausdemKreml-Fahnen auf ihren langen Fahnenstangen stören etwas. Aber da fängt das Spektakel endlich an.

Ein Marktweib agitiert, aus dem Schütting kommt zierlich herabgeschritten der Adel in langen und Bein-kleidern mitsamt dem König und wird vom aufgebrachten Völkchen zur Bürgerschaft getrieben, wo eine Guillotine aus Alufolie wartet. Kopf ab! Die Menge johlt! Der Strom für die Mikrofone fällt (aus). Das Revolutionslied verhallt ungehört. Schade! Claudia Kohlhas