Europas 100 wertvollste Firmen

■ „The Global 1000“ des US-Wirtschaftsmagazins 'Business Week‘: 240 europäische Konzerne sind dabei

Teil 24

Alljährlich im Juli ist es so weit. Dann ist die Zeit der Bilanzpressekonferenzen und Jahreshauptversammlungen vorbei, und Computer beginnen damit, für die Wirtschaftsmagazine die neuen Hitlisten der größten Konzerne zusammenzustellen. Schon die Fragestellungen sind ganz unterschiedlich: Mit wem können AktionärInnen das meiste Geld verdienen? Von wem hängen die meisten Beschäftigten ab? Vor allem aber: Wer ist der Mächtigste im ganzen Land oder auf der ganzen Welt?

Der Streit darüber, welche Tabelle am aussagekräftigsten ist, wird dabei mit einem ähnlichen Dogmatismus ausgetragen wie der um die Doppelkopf-Spielregeln. Gemeinsame Nachteile haben alle Listen. Vor allem die Wechselkursveränderungen sorgen hier für Verschiebungen. Gestritten wird aber vor allem um die speziellen Nachteile. Sind sie nach Umsätzen geordnet, müssen die Banken draußenbleiben, denn ihre Bilanzsummen sind aus systematischen Gründen mit den Umsätzen nicht zu vergleichen. Verzerren würde auf der anderen Seite auch der Umsatz der Handelshäuser, die teilweise riesige Gütermengen kaufen und verkaufen, aber nicht produzieren. Nur reine Industrieunternehmen aufzunehmen, bedeutet eine weitere Einschränkung. Und schließlich, wenn es über die eigenen Landesgrenzen hinausgeht, hindern oftmals verschiedene Bilanzierungsvorschriften den Vergleich.

Ein solches Zahlenwerk nach den Gewinnen zu ordnen, ist ebenfalls unergiebig. Wenn Riesenkonzerne einen kleinen Gewinn einfahren, verschwinden sie schier am Tabellenende ganz unangebracht angesichts ihres Einflusses. Und andere, die etwas kleiner, aber hochprofitabel sind, drängen sich nach vorne.

Eine andere Möglichkeit ist die Ordnung nach dem Börsenwert, also der Summe aller ausgegebenen Aktien, mit dem Börsenkurs multipliziert. Auch dieses System hat erhebliche Nachteile: Unternehmen, die nicht an der Börse gehandelt werden, tauchen etwa erst gar nicht auf. Der Einfluß der Banken auf die Unternehemen spiegelt sich schon gar nicht nieder - aber das ist ohnehin ein ganz ungelöstes Kapitel der Wirtschaftsstatistik. Durcheinandergebracht werden solche Tabellen auch, wenn es für einzelne Unternehmen zu Kursexplosionen kommt, wie jetzt durch das 40 -Milliarden-Mark-Übernahmeangebot für BAT. Andererseits: Die Ordnung nach dem Börsenwert ist die einzige vertretbare Möglichkeit, auch Banken und Handelshäuser in einen Vergleich mit Industrie-Unternehmen oder Firmen für die Versorgung mit Strom, Gas oder Wasser zu bringen. Deswegen dokumentieren wir die Tabellen auf diesen Seiten aus der Liste „The Global 1000“ des US-Wirtschaftsmagazins 'Business Week‘, die aus der Ausgabe vom 17.7. zusammengestellt ist (viele US-Magazine datieren ihre Ausgaben nach dem letzten Tag ihrer Erscheinungswoche).

Zunächst zeigt diese Tabelle eindrucksvoll die Dominanz US -amerikanischer und japanischer Unternehmen: Wird die Größe „Börsenwert“ zur Grundlage genommen, kommen von den 1.000 größten Konzernen satte 698 aus den USA (353) und aus Japan (345). Weit hinterher folgt die EG mit 203 Firmen; aus ganz Westeuropa sind es insgesamt 240 Konzerne. Ob nach Umsatz, nach Gewinn oder nach Wert: Eine große Geige spielen sie, von Royal Dutch/Shell einmal abgesehen, allesamt nicht.

Unter den westeuropäischen Firmen dominieren eindeutig die 93 britischen Konzerne. Es folgen die französischen mit 31 und die bundesdeutschen mit 30. Aus Schweden kommen 19, aus Italien 15, aus der Schweiz 12, aus den Niederlanden und Spanien je 11, aus Belgien 10, und die Schlußlichter bilden mit fünf, zwei und einem Konzern Finnland, Dänemark und Norwegen. Auf der großen Tabelle unten sind neben den Euro -Rängen die Plätze aus der „Global 1000„-Liste angegeben, um Vergleiche zu ermöglichen.

Auf den vorderen Rängen der Euro-Tabelle dominieren die britischen Konzerne gleichfalls - übrigens auch Ergebnis der Thatcher-Privatisierungen. Wenn an der Frankfurter Börse etwa auch Fernmelde-Aktien gehandelt würden, fände sich die „graue Post“ sicherlich auch unter den vorderen Rängen. Größtes bundesdeutsches Unternehmen bleibt unbedingt Daimler -Benz, das den Weltrang 86 und in Europa Platz 7 einnimmt. Zum Vergleich: Der Multi aus Stuttgart steht in der Liste des US-Wirtschaftsmagazins 'Fortune‘, die nach Umsätzen von Industriekonzernen geordnet ist, weltweit an elfter Stelle.

Nach Siemens (Euro-Nummer 10, weltweit Nummer 95, in der 'Fortune'-Liste Rang 14) folgen zwei bundesdeutsche Finanzhäuser: Die Allianz, nach Prämieneinnahmen die größte Versicherung Europas, hier aber mit dem Euro-Platz 13 deutlich hinter der italienischen Assicurazioni Generali mit ihrer sechsten Position, und die Deutsche Bank auf Rang 17, die sich mit dem Etikett „Europas wertvollstes Geldhaus“ schmücken könnte: Die britische Barclays Bank folgt erst auf Rang 26.

Dann folgt das „Farben„-Trio Bayer (18), BASF (21) und Hoechst (22), und dann kommt erst einmal lange gar nichts. Erst auf Platz 41 taucht die RWE auf, gefolgt von der Konkurrent VEBA (45). Im kommenden Jahr, wenn der Kauf der Feldmühle bewältigt ist, dürfte sich das Bild etwas geändert haben. VW auf Platz 46 und dem weltweiten Platz 276 macht sich in der 'Business-Week'-Liste wesentlich schlechter als bei der 'Fortune'-Konkurrenz: Dort hat der Konzern die Nummer 17 der umsatzstärksten Konzerne.

Unter den ersten hundert der 240 westeuropäischen Konzerne aus der 'Business Week'-Liste haben nur noch vier weitere einen Platz gefunden: Die Münchner Rückversicherung mit Rang 62, die Dresdner Bank mit Rang 72, BMW mit Rang 84 und Thyssen mit der Nummer 86. Wie gering die internationale Bedeutung des bundesdeutschen Aktienkapitals ist, zeigt sich auch hier: Weltweit rangiert Thyssen, Nummer 14 auf der bundesdeutschen Liste der wertvollsten Konzerne, nur noch als Nummer 443.

Dietmar Bartz