Großes Reiben in Achim

■ Draußen vor der Tür: Kommunaler Kunstsommer

Der Achimer Kurier wußte es ganz genau. Der Kunstsommer ist ausgebrochen: „Wenn Kunst das ist, woran man sich reibt, worüber man sich streitet..., was zum Nachdenken anregt, dann ist das sicherlich Kunst, was hier präsentiert wird.“ Es ist nicht belegt, wer da streitet und wie gerieben wird, doch die Stadt Achim erlebt bis zum 6. September ein kommunales Sensatiönchen. Kunst im öffentlichen Raum beschränkt sich derzeit nicht nur auf die Restaurierung alter Fachwerkgebäude. Achim wird im Moment auch durch eine Freiplastik-Austellung junger Bremer BildhauerInnen verschönert, die ihre Arbeiten am Alten Markt präsentieren.

Umgeben von klassischen Beispielen kleinstädtischer Sanierkunst, Wollstübchen und der Kreisjugend-Musikschule, kann sich die Achimer Bevölkerung zwei Monate lang kostenlos und unverbindlich im Betrachten der zehn Objekte der AbsolventInnen und Noch-Studentinnen der Bre

mer Hochschule für Bildhauerei üben. Gehauen, gemeißelt, geschweißt und gesägt bieten die Arbeiten einen Überblick der von Professor Bernd Altenstein betreuten Künstler.

Silke Hennig ist mit einer Sandstein-Plastik vertreten. Der menschliche Torso ist in dreimonatiger Arbeit enstanden. Fast zwei Meter groß, schaut er auf eine Telephonzelle, grau, kantig und übersät mit Arbeitsspuren. Sie seien ein wichtiges Merkmal der stattlichen Figur, erklärte die Bildhauerin. Gleich daneben ist Christoph Fischer mit einem Stiertorso aus Terracotta vertreten, rostbraun und sehr geschmeidig.

Die verschiedenen Skulpturen miteinander vergleichen zu wollen, verbietet sich von selbst. Zu unterschiedlich sind die Arbeitstechniken und Materialien. Frank Bohlmanns Kopfdarstellung ist ausschließlich aus Holz gefertigt. Die Weißen Holzbretter erinnern ein wenig an einen schiefen Fen

sterrahmen, der den Blick freigibt auf den kleinen Park ringsherum. Ganz anders der gnubbelige Sandstein von Johannes Behrends, dessen weiche Konturen und verschiedene Oberflächenstrukturen eine Passantin dazu bewegten, ihm den Titel „Harmonie“ zu verleihen.

Ulrike Goelners menschenhoher Eichenklotz beeindruckt durch seine vielen Risse und scharfen Kanten, die der kolossalen menschlichen Abbildung Verletzlichkeit verleihen. Beim weiteren Rundgang über den alten Markt sind Hans Müllers „König und Königin“ ein weiterer Blickfang der vielfältigen Leistungsschau. Zwei langnasige ältliche Figuren hocken in einem kubischen Eisenrahmen und rosten mit ihren faltigen Oberkörpern der Zeit entgegen.

Wolfgang Ludewig ist als einziger mit zwei Bodenplastiken aus geschweißtem Stahl repräsentiert. Seine in neue Zusammenhänge gebrachten Industrieformen stehen im Kontrast zur Kalksteinskulptur des Sauerländers Volker Schnüttgen. Die „Übereinander geschlagenen Steine“ vermitteln trotz des schweren Anröchter Dolomits eine leichte Optik und wecken unmittelbar die Assoziation eines lümmelnden Beinpaares.

Den AchimerInnen ist zu wünschen, daß Bürgermeister Rippich dem Kunstsommer auch einen Herbst und Winter folgen läßt. Denn woran sollen sie sich nach Ende der Austellung sonst reiben? Lobsang Samte