Weserkraft bleibt vorerst ungenutzt

■ Heute Grundsteinlegung für neues Weserwehr / Initiative erinnert an versprochenen Neubau eines Wasserkraftwerks

Zwar hat sich in den vergangenen Wochen die schwimmende Bauplattform des neuen Weserwehrs schon ein ganzes Stück in den Fluß vorgeschoben, doch erst heute wird die künftige Grenze zwischen Mittel- und Unterweser zum ersten Mal auf festen Grund gesetzt: Um 12 Uhr wollen der Bonner Verkehrs -Staatssekretär Wilhelm Knittel und die Bremer Stadtentwicklungs-Senatorin Eva-Maria Lemke-Schulte den Grundstein für das Millionenbauwerk legen. Auf die Grundsteinlegung für das schon vor zwei Jah

ren als Ersatz für das im Sommer 1987 abgerissene alte Weserkraftwerk versprochene große neue Wasserkraftwerk muß dagegen weiterhin gewartet werden. Eine „Initiative Energie für Bremen“ will deshalb heute vormittag ab 10:30 Uhr ebenfalls an der Baustelle des neuen Weserwehrs den Senat und die Stadtwerke an ihr Versprechen erinnern.

57 Millionen KWh Strom könnten in einem neuen Weserkraftwerk pro Jahr erzeugt werden. Das wäre immerhin acht Prozent des Verbrauchs aller pri

vaten Haushalte in Bremen und 23mal mehr, als die 25 Windmühlen im Public-Relations-Projekt der ÜNH, dem Windpark Cuxhaven, liefern. Ähnlich wie bereits in den 20er Jahren praktiziert könnte auch heute die Energie aus der Kraft der Weser ausreichen, um für die gesamte Straßenbeleuchtung und den Betrieb der Straßenbahn zu sorgen. Bislang muß diese Energie in Bremen aus der Kohleverbrennung gewonnen werden. Rund 50.000 Tonnen Kohlendioxid und einige hundert Tonnen Schwefeldioxid und Stic

koxide werden für die Erzeugung von 57 Mio KWh in die Bremer Luft gepustet. Bei Nutzung der Weser-Kraft wäre es nicht ein einziges Gramm.

„Betriebswirtschaftliches Denken greift angesichts des drohenden Treibhauseffektes zu kurz“, hält die Initiative denn auch den Kosten-Argumenten der Stadwerke entgegen. Von den 81 Mio Mark für den Bau eines neuen Weserkraftwerkes würden sich bei den heutigen Kohlepreisen nur 71 Mio amortisieren, haben die Stadtwerke ausgerechnet. Ohne eine Deckung der verbleibenden 10 Mio Mark will der Aufsichtsrat den Neubau des Wasserkraftwerks nicht beschließen. Doch „Geld ist da“, weiß die Initiative - nicht nur im Wirtschafts-Aktions-Programm (WAP) des Senats, aus dem zum Beispiel gerade erst der reichste bundesdeutsche Konzern, Daimler-Benz, mit 24 Mio Mark für den Bau eines neuen Sportautos bedient wurde. Auch die Stadtwerke selber machten zum Beispiel 1988 124 Mio Mark Gewinn, von denen 70 Mio an die Stadt als Konzessionsabgabe und 31 Mio an eine senatseigene Holding als Gewinn überwiesen wurden.

Doch trotz der im Vergleich dazu kleinen Finanzierungslücke und dem großen Ökologischen Nutzen wollen die Stadtwerke erst im Dezember im Aufsichtsrat über ein neues Weserkraftwerk beraten und beschließen. Je länger mit der Entscheidung gewartet wird, desto höher werden die Kosten. Denn eine sinnvolle Koordination des Weserwehr-Neubaus mit einem Kraftwerk-Neubau müßte schnell beginnen.

In den Bauplänen des Wehrs ist ein neues Kraftwerk nur als „Option“ vorgesehen (vgl. Grafik). Tatsächlich geplant sind an der entsprechenden Stelle dagegen bereits ein Fischpaß, ein Wirtschaftsweg, ein Deich, zahlreiche neugesetzte Bäume und das Ende eines Altarm-Biotops als landschaftspflegerische Ausgleichsmaßnahme.

Ein zeitgleicher Bau von Wehr und Kraftwerk sei „aus Hochwasserschutzgründen“ nicht möglich, hatte der Senat auf eine Anfrage der Grünen geantwortet. Doch dem widerspricht der Leiter der Bauarbeiten, Jan Dirksen vom Wasser- und Schiffahrtsamt. Bei den Strömungsversuchen im hannoverschen Franzius-Institut sei auch der Kraftwerk-Neubau berücksichtigt worden.

Ase