Vollenden, was Kewenig anfing

■ Morgen beschäftigt sich das Abgeordnetenhaus mit dem Bleiberecht/Flüchtlinge haben Perspektive

Der Stein des Anstoßes sieht eher unscheinbar aus: ein Stempel von der Größe einer Paßseite mit der Aufschrift „Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin“. Vor zwei Wochen ist Noureddine Oumari zur Ausländerbehörde gegangen, eine Kopie der Weisung des Innensenats in der Tasche, und hat eine Aufenthaltserlaubnis für Berlin beantragt. „Sie kriegen keine“, erklärte ihm der Beamte. „Und ob ich eine kriege“, antwortete Noureddine Oumari und legte die Kopie auf den Tisch der Behörde.

Noureddine ist Kurde aus dem Libanon und seit 14 Jahren in Berlin, Fatma, seine Frau, Kurdin aus Syrien, lebt seit sechs Jahren hier. Beide sind in einer kurdischen Partei engagiert. In ihrem Wohnzimmer prangt groß das Porträt von General Barrazani, Gründer und ehemaliger Vorsitzender der Partei. Als Noureddine und Fatma 1983 heirateten, war sein Asylantrag bereits abgelehnt. Eine Abschiebung in den Libanon war damals wie heute nicht möglich. Also erhielt Nourredine eine Duldung, die alle drei Monate verlängert wurde. An einem Novembertag im Jahr 1986 holte ihn die Ausländerpolizei um sieben Uhr morgens ab. Die fünf Tage in der Zelle seien die schlimmsten Tage in seinem Leben gewesen, sagt er heute. Mitarbeiter einer Berliner Flüchtlingsorganisation paukten ihn schließlich heraus.

Auch ein zweiter Asylantrag wird sofort wieder abgelehnt. Die Ausländerbehörde gewährt ihm nur noch eine Duldung, die 24 Stunden gültig ist. „Ich habe mich damals versteckt, nicht mehr zu Hause geschlafen und bin auch nicht mehr zur Ausländerpolizei gegangen“, erzählt er. „Freunde hatten ein Vollmacht von mir und haben dann immer wieder eine Verlängerung von einem oder drei Tagen für mich rausgeschlagen.“

Den islamischen Fastenmonat Ramadan verbringt Noureddine im Mai 1986, als wieder Abschiebungen in den Libanon drohen, im Schutz einer Berliner Kirche. Zwei Monate später wird auch Fatmas Asylantrag nach fünf Jahren mit der Begründung abgelehnt, für syrische Kurden bestehe momentan im Falle einer Abschiebung keine Gefahr. Fatma, inzwischen im sechsten Monat schwanger, erhält eine dreimonatige Duldung, „aber ich habe trotzdem bei jedem Klingeln an der Tür Angst gehabt.“ Um nicht auseinandergerissen zu werden, packt die ganze Familie ein paar Sachen und zieht für 18 Tage ins Kirchenasyl. Schließlich zeigt sich ein Beamter der Ausländerbehörde konziliant und gewährt Noureddine eine halbjährige Duldung, damit auch er die ersten drei Monate nach Geburt des Kindes bei seiner Familie bleiben kann.

Nun plötzlich ist der Spuk vorbei, und sie können es immer noch nicht ganz glauben. Seit dem 29.Januar 1989 hoffen und beten Noureddine und Fatma Oumari nicht nur für die Sache der Kurden, sondern auch für den Fortbestand der rot-grünen Koalition. „Diese Wahl war für mich so schön wie der Tag meiner Hochzeit“, meint Noureddine, der politisch sonst eher nüchtern denkt. Nach 14 Jahren Erfahrung mit bundesdeutscher und Berliner Flüchtlingspolitik kann er eine gewisse Skepsis auch gegenüber der SPD nicht verbergen. Aber wenn Noureddine und Fatma Oumari diesen unscheinbaren Stempel erst einmal in ihren Pässen haben, dann erhält Walter Momper einen Ehrenplatz im Wohnzimmer - als Foto neben General Barrazani.

anb