Viel Arbeit für den Reißwolf

■ Datenschützer Kerkau fordert, die Datensammlungen beim Verfassungsschutz zu bereinigen / Abschlußbericht zur Verarbeitung personenbezogener Daten vorgelegt / Daten über Journalisten und AL wurden unbefugt gesammelt und verarbeitet

Der Datenschutzbeauftragte Hans-Joachim Kerkau hat eine „umfassende Bereinigungsaktion“ der Datensammlungen beim Landesamt für Verfassungsschutz gefordert. Im Landesamt würden in großem Umfang nicht (mehr) rechtmäßig Akten aufbewahrt und entsprechende Daten in Datensammlungen gespeichert, stellte der Datenschützer in einer Pressemitteilung vom Samstag fest.

Kerkau hatte die Datensammlungen des Berliner Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen das Landesamt untersucht. Im Dezember vergangenen Jahres war ein Untersuchungsausschuß zur „Aufklärung von möglichen Fehlentwicklungen beim Landesamt für Verfassungsschutz“ eingerichtet worden, der seine Arbeit mit Ablauf der Legislaturperiode im März beendet hatte. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und in welchem Umfang das Landesamt personenbezogene Daten über Journalisten, insbesondere der alternativen 'Tageszeitung‘ (taz), unbefugt verarbeitet.

Bereits im März hatte der Datenschutzbeauftragte zum taz -Komplex festgestellt, daß personenbezogene Daten weit über das vertretbare Maß hinaus gesammelt worden seien. Außerdem seien Daten nicht rechtzeitig gelöscht worden. Die gesamte taz-Akte sei aufbewahrt und über das bundesweite nachrichtendienstliche Informationssystem NADIS gespeichert gewesen, auch nachdem die Zeitung nicht mehr als Verdachtsfall eingestuft gewesen sei.

In seinem jetzt vorgelegten Abschlußbericht, der sich auch mit der Verarbeitung personenbezogener Daten andere Berufsgruppen befaßt, sieht Kerkau die Feststellungen vom März bestätigt. Er hebt insbesondere die Mängel bei einer über viele Jahre geführten Sachakte zum Thema „Infiltration der Alternativen Liste“ mit den dazugehörigen Dateien hervor.

Unabhängig von der Frage der ursprünglichen Zulässigkeit der Sammlungen lägen die rechtlichen Voraussetzungen für die Speicherung der Daten von Personen, von denen lediglich AL -Aktivitäten bekannt gewesen seien, spätestens seit 1987 nicht mehr vor. Trotzdem seien die Dateien fortgeschrieben und die Unterlagen selbst dann nicht vernichtet worden, als bei zahlreichen Anfragen von AL-Mitgliedern und -Mandatsträgern die Unzulässigkeit der Datensammlung hätte offensichtlich sein müssen. Nicht bestätigt hat sich dagegen nach Kerkaus Angaben, daß bestimmte Berufsgruppen gezielt beobachtet wurden.

Von entscheidender Bedeutung für die künftige Arbeit des Landesamtes ist nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten eine präzise Regelung des Umgangs mit personenbezogenen Daten. Es müßten Arbeitsanweisungen entwickelt werden, die alle Phasen der Verarbeitung der Daten von der Entscheidung zur Aufbewahrung bis zur Vernichtung umfassen müßten. Eine regelmäßige Überprüfung der Datenbestände sollte künftig verhindern, daß zu lange zu viele Daten aufbewahrt werden.

Der jetzige Innensenator Pätzold (SPD), der eine kritische Überprüfung der Arbeit des Verfassungsschutzes als Oppositionspolitiker im vergangenen Jahr forciert hatte, hatte Ende März eine Projektgruppe eingesetzt. Sie soll mit Unterstützung des Datenschutzbeauftragten Fragen klären, die im Untersuchungsausschuß nicht mehr erörtert werden konnten.

dpa