Null Chance für „Made in Germany“?

Segeln: 30 Millionen Mark sollen die Bundesrepublik beim America's Cup konkurrenzfähig machen Minister Riesenhuber akquirierte müde Sponsoren / Der letzte Sieger muß noch vom Gericht gesucht werden  ■  Von Torsten Haselbauer

Längst ist Leistungssport durch den vermehrten Einsatz von Wissenschaft und Technik zu einem Abziehbild der Situation in den hochtechnisierten Industrienationen geworden. Dem Bedürfnis des Zuschauers nach Identifikation tut dies keinen Abbruch. Spitzensport bietet doch genug Ersatz für die im Alltag so selten gewordenen ästhetischen Sensationen.

In jüngster Zeit nun wird das Publikum im Fernsehen immer häufiger mit der großen weiten Welt des Segelsports konfrontiert: dem America's Cup. Der Grund ist einfach. In drei Jahren soll erstmals in der 140jährigen Geschichte des traditionsreichen und hochkarätigen Segelspektakels ein deutsches Boot Flagge zeigen. Der bezeichnende Name für das rasante Wasserfahrzeug: „Maid of Germany“.

In Hamburg läuft unter dem verheißungsvollen Titel „Vom Konzept zum Sieg“ ein Projekt vom Stapel, das in der hiesigen Geschichte von Spitzensport und Spitzentechnologie geradezu einmalig ist. Mit der Maid sind die Kapitalkraft bundesdeutscher Großunternehmen und das Know-how von Made in Germany eine Heirat eingegangen, die die Verantwortlichen des Bundeskartellamtes schlichtweg vom Stuhl reißen müßte.

Das Tuch (das heute natürlich kein Tuch mehr ist), aus dem die Segel sind, würde unter der Sonne Kaliforniens wohl kaum die gesamte Sponsoren- und Partnerliste spazierenfahren können. Einen Platz sicher haben indes die Konzerne Daimler Benz und Thyssen sowie der Hersteller von Markenartikeln Unilever (für sein Produkt Axe).

Zum Engagement provoziert sah sich schließlich auch der Bekleidungskonzern van Laak. Mit diesen großen Fischen an der Angel ist der veranschlagte Bedarf an Bargeld von 13 Millionen Mark kein Problem mehr. Zahlreiche Co-Sponsoren (wie IBM und Lufthansa) sorgen dafür, daß das Gesamtbudget von 30 Millionen gut und gerne gedeckt ist.

Dabei sah es lange Zeit für den „Deutschen America's Cup -Verein“ gar nicht mal gut aus. Denn entgegen ihrer sonstigen Art zeigten sich die bundesdeutschen Konzerne eher schüchtern, als es darum ging, der schönen Maid die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. Schließlich ergriff die Allianz von Bundesforschungsminister Riesenhuber und ZDF das Steuer und machte auf einer Promotionstour quer durch deutsche Lande und Studios die müden Industriekapitäne dann doch noch flott. Das rührige Reisen hat sich offensichtlich gelohnt, die einstmals sportliche Herausforderung entpuppte sich plötzlich als eine für die deutsche Wirtschaft.

Daß gerade auf diesem Sektor auch aus Asien Konkurrenz erwächst, wußte der IBM-Vorsitzende Hans Olaf Henkel am 23.September 1988 auf der „Interboot“ zu berichten: „Besonders die Deutschen sollten nachdenklich werden, wenn sich jetzt die Japaner voll in das Engagement um den America's Cup stürzen. Erinnern wir uns noch? Fotoapparate, Motorräder, Autos, Schiffbau, alles ehemalige Weltmarktdomänen, heute schon völlig in der Hand der Ostasiaten.“

Ganz abgesehen von der Schuldfrage beim Untergang der Werftindustrie, gewiß ist nur, die Exportnation BRD wollte es sich nicht länger leisten, der Formel eins des Segelsports die finanz-technische Unterstützung zu verweigern. Zudem gilt der Cup der schnellen Yachten, den das ZDF in alle Haushalte übertragen wird, als einmalige Gelegenheit zum globalen Marketing und beste Werbung für High-Tech made in Germany.

Das hatte bereits im vergangenen Jahrhundert der irische Tee-Baron Sir Thomas Lipton den Deutschen vorgemacht, der aus dem riesigen Werbepotential des America's Cup reichlich Kapital schlug. Andere nach ihm nutzten den kommerziellen Aspekt des mit so hohem Sozialprestige ausgestatteten Sports für ähnliche Zwecke.

Sportlich gesehen ist diese Segelshow ohnehin nur für einige wenige von Interesse, zumal sich die Geschichte des Cups wie eine Ansammlung machiavellischer Machenschaften liest. Wurde die Trophäe im ersten Rennen 1851 von dem Schooner America nur dank einer Abkürzung gewonnen, kam es 1970 zu einem handfesten Skandal, als die einfallsreichen Amerikaner zwecks Ballastverminderung die Toilletentür in die Fluten warfen. Die beleidigten Australier drohten gleich mit dem Rückzug ihrer Truppen aus Vietnam.

Auch derzeit wird gestritten: erst im September wird die endgültige gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit der letzten Wettfahrt erwartet, erst dann wird auch der nächste Austragungsort feststehen. Dennis Conner, dreimaliger Skipper für die USA, der mit einem Katamaran gegen die „New Zealand“ im Frühjahr gewonnen hatte (in der dritten gerichtlichen Runde wurde der Sieg erstmals der „New Zealand“ zugesprochen), will sich mit einer neuen Yacht auch beim nächsten Mal - vermutlich im Frühjahr 1992 beteiligen, „mit einem Schiff nach den modernsten technischen Erkenntnissen“. Sein Syndikat rechnet dafür mit einem Etat von fast 70 Millionen Mark.

Ob die Maid die Möglichkeit haben wird, sich mit Conner und seinem Kapital zu messen, ist nicht nur von der Entscheidung des Gerichtes abhängig. Bisher haben 25 Syndikate aus elf Ländern ihre Nennung für den kommenden Cup eingereicht.

Doch dem Routinier Conner wäre auch im Falle einer deutschen Herausforderung nicht bang. Zu sehr wiegt für ihn die Erfahrung bei sogenannten Match-Races, dem direkten Segeln Boot gegen Boot, nach deren Modus auch der America's Cup ausgetragen wird. Als beispielsweise vorletztes Wochenende in Kiel beim „Baltic Match Race“ 100.000 DM für den Besten ausgelobt waren, durfte sich Dennis Conner das Geld schließlich in die Tasche stecken. Weshalb der Skipper zu dem Urteil kommt: „Die Deutschen haben keine Chance.“