Alliierte Gas-Blockade

■ Gasag verhängt Anschlußstopp / Wer jetzt eine Gasheizung beantragt, muß zwei Jahre warten / Stadtgas-Kapazitäten sind erschöpft / Alliierte blockieren Umstellung auf Erdgas / Ergebnis: Senat kommt mit seiner Energiepolitik in die Bredouille /

Wer sich jetzt entscheidet, eine umweltfreundliche Gasheizung in seiner Wohnung installieren zu lassen, muß zwei Jahre warten. Erst ab März 1991 kann die Gasag Interessenten bedienen, die jetzt beantragen, an das Netz der städtischen Gesellschaft angeschlossen zu werden. „Wir strecken das“, bestätigte gestern der kaufmännische Direktor der Gasag, Fritz Stein. Die Gasag verhängte den Anschlußstopp, weil ihre Kapazitäten vorerst erschöpft sind. Bereits am Donnerstag hatte die Gesellschaft die Innung der Heizungstechniker informiert; gestern wurden die einzelnen Handwerkerfirmen benachrichtigt.

Hintergrund des Anschlußstopps: Die Gasag hatte ihre Kapazitäten zur Produktion von Stadtgas nicht mehr erhöht, da sie bereits im vergangenen Jahr damit beginnen wollte, ihre Kunden direkt mit dem aus der Sowjetunion gelieferten Erdgas zu versorgen. Dieser Termin konnte jedoch nicht eingehalten werden; die Gasag muß ihre Kunden weiterhin mit künstlich erzeugtem Stadtgas beliefern. Schuld daran ist die alliierte Auflage, vor der Einspeisung des „Russengases“ eine Jahresverbrauchsmenge zu speichern, um vor Boykottdrohungen gewappnet zu sein. Weil Anwohner vor Gericht einen Aufschub erreicht hatten, kann der geplante unterirdische Speicher unter dem Grunewald jedoch erst Mitte der 90er Jahre in Betrieb gehen. Nun beginnt die Gasag erst im Jahr 1991 mit der Umstellung auf Erdgas, zunächst lediglich in Neukölln und auch dies nur, weil hier bis zu diesem Termin eine sogenannte SNG-Anlage in Reserve stehen soll, die im Notfall „künstliches Erdgas“ herstellen kann.

Dem rot-grünen Senat kann der Anschlußstopp nicht ins Konzept passen. Als „völlig untragbar“ bezeichnete ihn gestern der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Behrendt. „Sehr unangenehm“, so Sprecher Rogalla, ist er auch für Umweltsenatorin Schreyer. Gas sei schließlich „nach wie vor der umweltfreundlichste Brennstoff“. Bei seiner Verbrennung entsteht, verglichen mit Kohle und Öl, deutlich weniger Staub und Schwefeldioxid. Den Senat bringt der Anschlußstopp aber noch aus einem anderen Grund in die Bredouille: Auch die besonders sparsamen und umweltschonenden Blockheizkraftwerke werden in der Regel mit Gas befeuert.

Bis durch die Umstellung in Neukölln wieder Kapazitäten frei werden, kann die Gasag lediglich die bereits aufgelaufenen Anträge abarbeiten. In diesem Jahr, so hofft man bei der Gasag, werden dadurch noch einmal 9.000 bis 10.000 zusätzliche Wohnungen angeschlossen. 1990 dagegen, so die Schätzung, wird sich diese Zahl auf die Hälfte reduzieren. Durch den zweijährigen Anschlußstopp werden wohl einige Interessenten auf andere Heizungsarten umsteigen: auf Öl etwa, oder gar, so Behrendts Befürchtung, auf die überaus unökologischen Nachtstromspeicheröfen.

Der SPD-Abgeordnete erneuerte deshalb gestern seine Forderung, mit den Alliierten neu zu verhandeln. Er forderte die Alliierten auf, mit einer „Ausnahmeregelgung“ die Umstellung auf Erdgas jetzt schon zu erlauben. Ähnlich denkt offenbar Umweltsenatorin Schreyer. Ihr Sprecher erinnerte gestern daran, daß es die Alliierten beim geplanten Stromverbund mit Westdeutschland zugelassen hätten, zehn Prozent der in Berlin verbrauchten Spitzenlast von außerhalb einzuführen. Schreyer erwäge, so Rogalla, „mit ähnlichen Überlegungen an die Alliierten heranzutreten“, was die Gaslieferungen betrifft.

hmt