Unsere Erfahrungen-betr.: "Gegen die belehrende große Schwester", taz vom 10.7.89

betr.: „Gegen die belehrende große Schwester“,

taz vom 10.7.89

Dieser Artikel entspricht auch genau unseren Erfahrungen.

Ich glaube, es fällt vielen Frauen, die aus anderen Ländern stammen und hier diese Erfahrungen gemacht haben schwer, dies zu zeigen, weil es sehr schmerzlich ist erstens, sich über die Enttäuschung bewußt zu werden, daß es die Solidarität unter den Frauen nicht gibt und zweitens, weil es sehr schwer ist, mit deutschen Frauen darüber zu reden, da diese oft dann anfangen darüber zu reden, daß sie sich von den immigrierten Männern angemacht fühlen oder werden. Die Frauen wollen nicht begreifen, daß wir immigrierten Frauen mit ihnen, die sich als linke Feministinnen bezeichnen, über unsere Schwierigkeiten reden wollen.

Diese Erfahrungen haben wir letztes Jahr in einer unserer Veranstaltungen gemacht, als wir versucht haben, dieses Tabuthema zu brechen und darüber zu reden. Wir können es verstehen, daß dieses Thema an die Substanz geht. Es war unmöglich.

Die Verfasserin hat vieles sehr gut dargestellt. Jedoch fehlt uns die Definition von Emanzipation. Wir denken, die immigrierten Frauen haben viel größere Emanzipationsschritte gemacht (und machen diese auch weiterhin) als deutsche Frauen. Was heißt es für eine Frau, aus einem ländlichen Gebiet zu kommen, teilweise Analphabetin zu sein, die Sprache überhaupt nicht zu sprechen und sich in diesem Industrieland trotzdem zurecht zu finden?

Für viele Frauen ist es unvorstellbar, was das für diese Frauen bedeutet, welche Emanzipationsschritte sie getan haben im Gegensatz zu den deutschen Frauen, die hier viel mehr Möglichkeiten haben, sich etwas zu schaffen. Für sie ist eine Frau, die ein Kopftuch trägt, eine „unterdrückte Frau“. Wir haben es satt, durch solche Klischees dauernd bemitleidet zu werden, und daß sie uns angeblich helfen wollen, doch dabei nur an ihre eigene Karriere denken. Dieses Thema ist überhaupt nicht frauenspezifisch. Wir werden sagen, daß die sogenannten „Ausländerfreunde“ größtenteils so sind, was wir sehr schade finden, und schade finden wir auch, daß man nicht mit ihnen darüber reden kann, um gleichberechtigt in dieser Gesellschaft leben zu können.

Wir haben auch den Verdacht, daß sie dies nicht wollen, weil sonst ihre Karriere, ihr Expertentum und ihre Macht ihnen aus den Händen gleiten.

Aber vielleicht fangen sie mal an, kritisch über ihr Verhalten und ihre Einstellung nachzudenken, unsere sogenannten FreundInnen. Wir brauchen keine Mütter, Väter oder große Schwestern. Wir sind bereits erwachsen.

Seyran Ates, Sevim Celebi, Ilknur Örgen-Ernst, Berlin