Strahlenpaß von Demirci manipuliert?

Bayerische Grüne schreiben an Hanauer Staatsanwaltschaft / Strahlenpaß: „Mehrere Fragen aufklärungsbedürftig“  ■  Von Michael Blum

München/Hanau (taz) - Der Strahlenpaß des nach Plutionium -Kontaminationen tödlich erkrankten Leiharbeiters Necati Demirci (die taz berichtete) ist möglicherweise „manipuliert worden“. Diesen Verdacht erhoben die grünen Abgeordneten im Bayrischen Landtag Christine Scheel und Armin Weiss in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Hanau.

Aus einer vorliegenden Kopie des Strahlenpasses ergeben sich mehrere „aufklärungsbedürftige Fragen“. So sei in einer „Eintragung über Bestrahlung“ von außen im August 1986 der „ursprüngliche Wert“ durch das nachträgliche Vorsetzen einer Null auf ein Hundertsel erniedrigt worden. Bei einer Eintragung auf Seite 17 des Strahlenpasses mit Datum vom 23.Januar 1987 wurden die Abgeordneten erneut fündig: „Hier erhebt sich die Frage, ob die Eintragung erst nachträglich erfolgte und auf den 23.1.87 zurückdatiert wurde, oder ob die Fa.Böhm (Leihfirma, für die Demirci arbeitete, Anm. d.Red.) die massive Grenzwertüberschreitung an diesem Tag erfahren hat, oder ob Herr Demirci am 23.1.87 über die sehr starke innere Kontamination informiert wurde.“ In Punkt III des Schreibens führen die Grünen Zweifel an der Firma Böhm an: Es sei fraglich, ob die Firma die „drastische Grenzwertüberschreitung“ der Knochenbelastung von Demirci den zuständigen Behörden unverzüglich nach Bekanntwerden gemeldet habe. In der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage habe die Bayerische Staatsregierung noch am 25.März 1987 festgestellt: „Die KWU hat nach hiesiger Kenntnis keine Zahlenwerte für Dosen veröffentlicht. Die von der KWU geäußerte Vermutung, daß Dosisgrenzwerte überschritten seien, hat sich bisher nicht bestätigt.“ Im Strahlenpaß fehlten zudem „Eintragungen über Inkorperationen“, stellten die Grünen fest. Es widerspreche der Logik, daß Demirci vor dem 23.Januar 1987 keinerlei radioaktiven Stoffe inkorporiert haben soll, wenn „dann mit gleichem Datum eine Knochenbelastung entsprechend der 50-Jahres-Dosis ermittelt wird“. Diese wäre nur möglich, wenn sich ein meldepflichtiger Unfall ereignet habe. Scheel und Weiss halten die staatsanwaltschaftliche Überprüfung dieser Punkte an Hand der Orginalmeßprotokolle der Gesellschaft für Strahlenforschung und des Kernforschungszentrums Karlsruhe für „dringend geboten“. Die GSF habe die Filmdosimeter ausgewertet, Karlsruhe soll die Ganzkörpermessungen durchgeführt haben.

Die Staatsanwaltschaft Hanau konnte gestern auf Nachfrage der taz noch keine Stellungsnahme abgeben: das Schreiben liege noch nicht vor.