Oppositionsregierung oder Regierungsopposition?

Solidarnosc muß sich in Politiker und Gewerkschafter spalten  ■ K O M M E N T A R E

Es ist in Warschau längst schon kein Geheimnis mehr, daß führende Mitglieder des Bürgerkomitees Solidarnosc wie die Professoren Geremek und Trzeciakowski für eine „oppositionelle Regierung“ sind, daß Michniks Vorschlag, den Präsidenten der Vereinigten Arbeiterpartei PVAP, den Premierminister aber Solidarnosc zu überlassen, durchaus seine Anhänger hat. Die Reaktionen der Basis waren jedoch alles andere als ermutigend. Daß die Gewerkschaftsführung, in der weniger Politiker vom Format Geremeks sitzen als einfache, von den Belegschaften entsandte Arbeiter, Michniks Vorschlag wenig abgewinnen kann, ist nicht verwunderlich. Eine Gewerkschaft muß zu jeder Regierung in gewisser Distanz bleiben, in Polen um so mehr, als schon jetzt abzusehen ist, daß die zur Überwindung der Krise notwendigen Reformen vor allem die Belegschaften am härtesten treffen werden. Soll die Gewerkschaft Solidarnosc einer Solidarnosc-Regierung Beifall klatschen, wenn diese eine weitere Senkung des Lebensstandards der Arbeiter verfügt?

Allzu schnell würde die Opposition vor der Entscheidung stehen, entweder das Regieren aufgeben zu müssen oder sich aus der Gewerkschaft zurückzuziehen. Die einzige Lösung: eine scharfe Trennung zwischen Politikern und Gewerkschaftern.

Der Zeitpunkt ist gekommen, wo jeder einzelne sich entscheiden muß, ob er Gewerkschafter oder Politiker sein will. Ob er das Volk oder die Arbeiter vertreten will. Ist diese Trennung vollzogen, können Walesa, Frasyniuk, Bujak und Merkel Gewerkschaftsarbeit leisten und Geremek, Trzeciakowski, Michnik und Kuron regieren. Und im Falle des Falles kann dann auch Premier Trzeciakowski zu den streikenden Arbeitern fahren und mit Streikführer Walesa verhandeln.

Einigen wenigen scheint auch klar zu sein, daß dieser Trennungsprozeß unvermeidlich ist, die Mehrheit allerdings versteckt diese Erkenntnis noch hinter dem Argument, man müsse stark und einig bleiben, um mit dem System fertig zu werden. Der Konflikt wird damit nur verschleppt, die Entscheidung verzögert. Ausdruck dieses Verschleppens ist die Tatsache, daß noch immer unklar ist, mit welchem der vielen in der Opposition vertretenen - häufig miteinander im Widerspruch stehenden - Wirtschaftsprogramme der Bürgerklub denn nun ins Parlament ziehen will. Bleibt zu hoffen, daß diese Fragen geklärt werden, bis der neugewählte Präsident den Premier und dieser sein Kabinett vorstellt. Es deutet allerdings alles darauf hin, daß diese Zeit für die Opposition zu kurz ist, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

Klaus Bachmann