Jaruzelski meldet offiziell Kandidatur an

General wird heute voraussichtlich von der Nationalversammlung zum polnischen Staatspräsidenten gewählt / Alle Blockparteien sagten ihre Unterstützung zu / Solidarnosc nach Treffen mit Jaruzelski enttäuscht / Opposition wird sich an Regierungsbildung nicht beteiligen  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Nach langem Zögern hat sich General Jaruzelski jetzt doch entschlossen, für das Präsidentenamt zu kandidieren - und man kann davon ausgehen, daß er heute von der Nationalversammlung auch gewählt wird. Zwar ist nach der Zusammenkunft mit dem Solidarnosc-Parlamentsklub am Montag mehr denn je zweifelhaft, daß er auch Stimmen der Opposition erhält, doch scheint es dem Regierungslager gelungen zu sein, seine Abgeordneten einigermaßen zu disziplinieren. In Treffen mit den einzelnen Parlamentsfraktionen in der letzten Woche hatte der General das Terrain für seine Wahl bereits sondiert. Er wolle nur kandidieren - so war aus gut informierten Kreisen aus seiner unmittelbaren Umgebung zu hören - wenn seine Wahl auch sicher sei.

Nachdem nun sowohl die Fraktion der Demokratischen Partei als auch die Abgeordneten der Vereinigten Bauernpartei, in deren Reihen es bis zuletzt heftige Widerstände gegen Jaruzelski gegeben hatte, ihre Zustimmung signalisiert haben, hat Jaruzelski zumindest das Potential des Regierungslagers und damit eine Mehrheit hinter sich. Weniger überzeugt von seiner Person waren jedoch die Abgeordneten des Bürgerklubs von Solidarnosc, mit denen der General am Montag nachmittag ein fünfstündiges Treffen hatte. In der Debatte um die Einführung des Kriegszustands sei der General auf seinen altbekannten Standpunkten geblieben, habe ausweichend und unklar geantwortet. Viele Abgeordnete waren enttäuscht.

Immer noch offen ist auch, wen der künftige Präsident als Premier mit der Bildung einer Regierung beauftragen wird. Die besten Chancen hat inzwischen Wladyslaw Baka, der ehemalige Chef der polnischen Nationalbank und Exminister für die Durchführung der Wirtschaftsreform. Als ZK-Sekretär für Wirtschaftsfragen vertritt er einen an Solidarnosc -Konzepten orientierten marktwirtschaftlichen Kurs mit starken Selbstverwaltungselementen und erfreut sich auch bei der Opposition einiger Sympathien. Dies um so mehr, als er sich aus politischen Auseinandersetzungen nach 1981 weitgehend herausgehalten hat. Einige führende Personen des Bürgerkomitees haben sich bereits zu seinen Gunsten ausgesprochen.

Sicher ist jedoch auch, daß sich die Opposition als solche an der Regierungsbildung nicht beteiligen wird. Weder könne man mit dem in der Ministerialbürokratie fest verankerten Parteiapparat seine Konzeption durchsetzen, noch verfüge eine Solidarnosc-Regierung im Parlament über die notwendige Stimmenmehrheit, heißt es aus Oppositionskreisen. Einzige Folge eines Regierungsengagements wäre ein Vertrauensverlust für Solidarnosc - anschließend gäbe es dann in Polen keine einzige Kraft mehr, die das notwendige Vertrauen der Bevölkerung habe, um drastische Reformen durchziehen zu können.

Diese Argumente ändern jedoch nichts daran, daß nach wie vor einige Köpfe der Opposition für einen Eintritt in die Regierung sind. Auch wenn sie dies mehr durchblicken lassen als offen aussprechen. Professor Trzeciakowskis Äußerung, die Übernahme der Verantwortung für die Wirschaft durch Solidarnosc hänge von den Ergebnissen des Pariser Gipfels ab, ist in diesem Zusammenhang zu verstehen. Tatsächlich nämlich gibt es keinen solchen Beschluß, weder von seiten des Parlamentsklubs noch des Bürgerkomitees, noch der Gewerkschaftsführung. Gerade letztere ist deutlich gegen ein entsprechendes Engagement der Opposition in der Regierung. Damit ist zwar die Regierungsbeteiligung einzelner Oppositioneller durchaus möglich, aber nur außerhalb und nicht im Namen von Solidarnosc.

Nahrungsmittel

für Polen

Die EG will Polen so schnell wie möglich eine erste Nahrungsmittelhilfe zukommen lassen. Die EG-Außenminister haben am Montag abend in Brüssel grundsätzlich beschlossen, EG-Bestände an überschüssigen Agrarprodukten an Polen zu liefern. Die Maßnahme geht auf eine Initiative von Bundesaußenminister Genscher zurück.