Farbe im Rhein soll Strömung erkunden

Bei Chemieunfällen könnten Wasserwerke gewarnt und notfalls schneller abgeschaltet werden  ■  Aus Basel Thomas Scheuer

Hübsch bunt ging es am Dienstag vormittag wieder mal im Rhein bei Basel zu. Grün-gelb verfärbt plätscherten die Fluten zwischen den Kraftwerken Rheinau und Laufenburg oberhalb der Chemiemetropole daher. „Völlig harmlos“, verlautbarten routinemäßig die Behörden und hatten ausnahmsweise mal recht: Nicht etwa ein Giftcocktail aus einem lecken Industrietank, sondern Schönfärberei im Dienste der Wissenschaft war Ursache der schillernden Farbenpracht. „Natrium-Fluorescein“, einen ungefährlichen Markierungsstoff, hatten Wasserkundler beim Wasserkraftwerk Rheinau in den Fluß gemixt, um im Auftrag der Internationalen Rheinschutzkommission Fließgeschwindigkeit und Strömungsverhältnisse zu erkunden. Seit dem Schock der Sandoz-Katastrophe vom November 1986 läßt die Kommission immer wieder solche Färbeversuche durchführen. Aufgrund der gewonnenen Daten werden mathematische Modelle über die Ausbreitung von Schadstoffwellen erstellt. Mit solchen wissenschaftlichen Badewannenspielchen lassen sich zwar keine Chemieunfälle verhindern, aber wenn's das nächste Mal knallt, pufft, tropft oder sickert, können die Experten wenigstens vorausberechnen, wie lange die Giftflut bis zum nächsten Trinkwasserwerk braucht - und wann schnorchelnde Bundesumweltminister aus dem trüben Naß gepfiffen werden müssen. Der wissenschaftliche Wissensdrang scheint mehr als geboten: Allein in den letzten zehn Tagen kam es in der Basler Chemieindustrie zu vier Pannen mit Freisetzungen giftiger Substanzen, die allerdings größtenteils nicht in den Rhein gelangten und auch nicht den Level internationaler Agenturmeldungs-würdigkeit erreichten. Allein zweimal in einer Woche, je einmal bei Sandoz und Ciba-Geigy, entwichen mehrere Kilogramm Thionylchlorid. Jener Stoff, der vor ein paar Wochen für weltweite Schlagzeilen sorgte, weil eine Düsseldorfer Firma versucht hatte, große Mengen dieser auch als Grundstoff für Kampfgase benötigten Substanz in den Iran zu vermitteln. In Basel wird der brisante Stoff natürlich nur zur Herstellung ganz ziviler Zwischenprodukte und Modefarben verwendet. Zur zivilen Routine gehört eben, daß auch hin und wieder mal ein paar Liter verzischen. Ohne große Schlagzeilen.