Wagner im Fettnapf

■ Senator Wagner provoziert Proteste mit einem Verkehrsseminar Nicht Autokritiker, sondern Autobauer referieren über ökologischen Stadtumbau

Erneut ist es der Verkehrsverwaltung gelungen, ihren Senator Horst Wagner (SPD) in einen Fettnapf zu lotsen. Heute und morgen lädt der Senator 30 Fachleute zu einem Seminar über „Strategien zur Verkehrspolitik in Berlin“ ins Japanisch -Deutsche Zentrum. In einer Einladung wertet Wagner das Seminar als Beitrag zum „ökologischen Stadtumbau“, doch die von der Verwaltung zusammengestellte Themen- und Referentenliste sorgt dafür, daß die Diskussion fest in konservativen Bahnen verlaufen kann. So darf ein von VW entsandter Professor „die Rolle des Autos in der modernen Verkehrspolitik“ definieren und Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau das Thema „Berlin als Luftkreuz in Europa“ erörten.

Einer, der berufen gewesen wäre, Kompetentes über neue Verkehrsstrategien für Berlin vorzutragen, wurde dagegen nicht eingeladen: Eckhard Kutter, bekannter autokritischer TU-Professor und „der einzige“ Experte für integrierte Verkehrsplanung, den die Stadt hat, wie die ADFC-Vorsitzende Wobit gestern erinnerte. Den Zusammenhang zwischen Ökologie und Verkehr habe man bei der Seminarplanung ausgeklammert, räumte ein Wagner-Mitarbeiter gegenüber dem AL-Abgeordneten Cramer ein. „Das behandeln wir ein andermal“, erfuhr der AL -Abgeordnete.

Kutter selbst spricht von einem „unglaublichen Vorgang“. „Da hat die Beton-Mafia in der Verwaltung die Strippen gezogen“, glaubt der Professor. Wagners Sprecher Wolfgang Göbel wollte gestern zwar glauben machen, Kutter sei denjenigen, die die Referentenliste erstellt hätten, „nicht so bekannt gewesen“ - doch in Wahrheit hat einer der beiden Senatsplaner, die die Veranstaltung vorbereitet hatten, oft mit dem Professor zusammengearbeitet.

Unter den elf Referenten, die eingeladen wurden, kann Kutter ganze drei „progressive“ Namen entdecken, ansonsten nur „gestandene Technokraten“. Die kritische Fraktion schrumpft noch weiter, weil der Verkehrsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Joachim Niklas, aus Zeitgründen verhindert ist. Niklas, der nebenbei verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ist, findet den Zeitpunkt des Seminars sehr „unglücklich gewählt“.

Auch die AL-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz wurde in keiner Weise über das Seminar informiert, geschweige denn eingeladen - ein „Affront“, meint ein Verkehrsplaner der Umweltbehörde. Staatssekretär Klaus Groth, der sich in letzter Zeit öfter über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Verkehrswaltung geärgert hat, will Wagner nun noch einmal klarmachen, „daß es so nicht geht“.

hmt