Ämterfilz und Machtgeilheit

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(Den Staat zur Beute machen? Die Macht der politischen Parteien, ARD, 20.15 Uhr) Stolz wie ein Champion hebt Bürgermeister Werner Schumacher die Hand und strahlt ein Siegerlächeln. Doch diesmal ist er, ohne es richtig zu begreifen, übers Ziel hinausgeschossen. Mit seinem Streben, einmal mehr als Klassenbester zu gelten, hat er dem Filmautor Felix Kuballa den Beweis geliefert, wie gierig sich Poltiker auf Ämter und Posten stürzen, um zu mehr Macht zu gelangen. Kuballa hat die gesamte politische Spitze der Eifel-Gemeinde Kall antreten lassen und danach gefragt, wer in Vereinen, Wohlfahrtsverbänden und anderen Institutionen Mitglied sei. Da stehen sie also, die ehrenwerten Damen und Herren, die Händchen in der Höh‘. Und sie dürfen sie gleich oben lassen, denn der Redakteur ist neugierig und fragt, ob jemand in zwei, drei, vier, fünf, sechs Vereinen organisiert sei. Die Finger herunternehmen darf nur derjenige, der da nicht mithalten kann. Beängstigend lang bleiben die Arme der Kommunalpolitiker gestreckt, bis zum Schluß nur noch der smarte Bürgermeister einsam seine Fingerspitze reckt: in über 30 Vereinen mischt er mit.

Na und, mag mancher da sagen und den Politikern ihre Vereinsmeierei gönnen, weil er glaubt, ein Kaffeekränzchen im Altenheim oder ein Fehlschuß beim Schützenfest würde doch so gut wie nichts bewirken. Felix Kuballa tritt den Gegenbeweis an. Er zeigt, daß sich parteipolitische Begehrlichkeiten „fettfleckartig ausbreiten“, wie Richard von Weizsäcker den Beutezug der Parteien schon 1982 verurteilte. In Köln wird getreu dem Wahlspruch „Mir kenne us, mir helpe us“ ausgekungelt, wer zwei hochbezahlte Vorstandsposten bei den Stadtwerken zugeschoben bekommt. 1988 flog ein Geheimpapier auf, in dem die SPD und die FDP die Besetzuzng von 14 hohen Posten bei der Stadtverwaltung vereinbart hatten. Ämterpatronage nennt sich diese Gepflogenheit, die nicht nur in Köln, sondern auch in Bonner Ministerien üblich ist. Da solche Absprachen als verfassungswidrig gelten, gibt es Ämterpatronage nur im Märchen und in böswilligen Filmberichten wie diesem hier. Zuletzt hat der damalige Bundesinnenminister Zimmermann auf eine Anfrage erklärt, ihm sei die Existenz geheimer personeller Abmachungen ohne Ausschreibung der zu besetzenden Stellen nicht bekannt.

Es war nicht einfach, Fälle von Ämterpatronage nachzuweisen. Felix Kuballa kann sich meist nur auf Renegaten stützen, die vorher selbst eifrig mitgemischt haben und nun plaudern wollen, weil sie beim Verteilen des Kuchens leer ausgegangen sind. Daß der Film nicht aus Gerüchten und Spekulationen besteht, sondern zu handfesten Indizien kommt, ist dem Beharren Kuballas zu verdanken. Die Stilblüten des Postenschiebens verdichten sich zu einem Potpourri, das nur eines verrät: Dreistigkeit und Machtgeilheit.

Christof Boy