Adenauer zog enge Grenzen um die Deutsche Frage

Die politischen Folgen der Wiedervereinigungsrhetorik des ersten Bundeskanzlers wirken nach / Auch heute hat die Diskussion ausschließlich innenpolitische Bedeutung  ■  Von Josef Foschepoth

Eigentlich wollten wir in diesem Jahr so richtig feiern. Festivitäten gab und gibt es genug, von Kiel bis Konstanz, von Hof bis Trier. Doch Feierstimmung will so recht nicht aufkommen. Der Grund: Das, was gefeiert werden soll, ist einigen schon wieder viel zu klein: die Bundesrepublik Deutschland im 40.Jahr ihres Bestehens. Die Aussicht auf ein grenzenloses Westeuropa, auf ein mögliches Verschwinden des ohnehin schon arg rostig gewordenen Eisernen Vorhangs, auch dies vermag die Stimmung nicht recht zu heben, sondern eher zu vermiesen. „Wir wollen unsern alten Nationalstaat wiederhaben“, tönt es allenthalben. Theo Waigel hat erst jüngst die Grenzen wieder neu vermessen. „Verfassungstreue“ und „nationale Verantwortung“, so leitartikelte der Bayernkurier, gebieten es, treu zu den Grenzen von 1937 zu stehen.

Wenn Verfassungstreue und nationale Verantwortung in Sachen Oder-Neiße-Grenze so plakativ unterstrichen werden, dann muß es in dieser Frage wohl auch „Verfassungsuntreue“ und „nationale Verantwortungslosigkeit“ geben. Neben guten Deutschen, die an den Grenzen von 1937 festhalten, muß es somit wohl auch schlechte Deutsche geben, die zu allem Übel auch noch in der Mehrheit sind. Scheint sich in der Bundesrepublik nach langem Ringen doch ein parteiübergreifender Konsens herausgebildet zu haben, aufgrund dessen die derzeitigen Grenzen in Europa nicht anzutasten bzw. in Frage zu stellen sind.

Die Wahlerfolge der Republikaner und die dadurch ausgelöste ernsthafte Bedrohung der politischen Machtposition der deutschen Konservativen lassen nunmehr allerdings geraten erscheinen, sich auch in der Grenzfrage endlich wieder der nationalen Verantwortung zu erinnern. Die Methoden sind dieselben wie in den 50er Jahren. Rechtsstandpunkte werden konstruiert, die zwar nicht einklagbar sind, aber das Gefühl vermitteln, doch im Recht zu sein, wenn man auf der Fortexistenz des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 besteht. Dreigeteilt, niemals!

„Opfergang“ nach Warschau muß verhindert werden

Wo es Leute gibt, die das Recht auf ihrer Seite wähnen, muß es logischerweise Leute geben, die in der Oder-Neiße-Frage einen Unrechtsstandpunkt vertreten. Verfassungstreue und nationale Verantwortung gebieten es, dem in den 40Jahren Bundesrepublik immer wieder vergeblich bemühten Rechtsstandpunkt endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Beseitigt den unrechtmäßigen Zustand und das den Deutschen zugefügte Unrecht nach dem Zweiten Weltkrieg jetzt!

Damit sind wir beim Kern des Problems angelangt, das hinter der neuen rechtskonservativen nationalen Besinnung steckt: Wiedergutmachung an der deutschen Nation. Schließlich sind die Deutschen die eigentlichen Opfer des Zweiten Weltkriegs, denn noch immer leiden sie darunter, daß ihr Territorium um die Gebiete östlich von Oder und Neiße verkleinert und zudem in zwei Staaten aufgeteilt wurde. Opfer, nicht Täter! Deshalb muß zum Beispiel aus der Sicht jener deutschen Nationalen verhindert werden, daß der Bundespräsident aus Anlaß des 50. Jahrestags des Überfalls der Deutschen auf Polen einen „Opfergang“ nach Warschau antritt.

Deshalb muß verhindert werden, daß der Kanzler in dieselbe Richtung reist, um dem abgewirtschafteten Kommunismus in Polen aus einer falsch verstandenen moralischen Verpflichtung heraus eine Finanzspritze zu verpassen. Deshalb werden Grenzdiskussionen ausgelöst, um zumindest eines zu verhindern, daß die Deutschen erneut im Büßergewand den Polen gegenübertreten. Der Kniefall Willy Brandts von 1970 vor dem Denkmal für die Toten des Warschauer Ghettos ist noch längst nicht vergessen.

Mit dem Zerbrechen traditioneller Feindbilder ist in der Bundesrepublik einiges in Bewegung geraten. Durch die politischen Reformbewegungen in Osteuropa und in der Sowjetunion ist der deutsche Rechtskonservativismus außenpolitisch orientierungslos geworden. Freilich wollen noch längst nicht alle konservativen Wähler von dem so liebgewordenen Antikommunismus Abschied nehmen. Das zehrt an Glaubwürdigkeit und Substanz der regierenden CDU und CSU. Um dem drohenden innenpolitischen Machtverlust entgegenzuwirken, muß wieder einmal die deutsche Frage her. Sie vermag Wünsche, Träume, Hoffnungen zu mobilisieren und den durch Krieg, Völkermord und die nicht enden wollende Erinnerung daran erzeugten Mangel an Selbstwert- und Überlegenheitsgefühlen zu kompensieren. Außenpolitische Orientierungslosigkeit und innenpolitische Verunsicherung sind somit wesentliche Ursachen für die Wiederbelebung nationalkonservativer und deutschnationaler Werte und Vorstellungen von eigener nationaler Größe und Überlegenheit.

Blick zurück auf die Anfangsjahre

Hier wirken Traditionen fort, die in die Anfangsjahre der Bundesrepublik zurückweisen. Die große Leistung Konrad Adenauers, des Gründungsvaters der zweiten deutschen Republik, bestand in der endgültigen Überwindung des deutschen Nationalstaats, der in der relativ kurzen Zeit seines Bestehens so viel Unheil über die Menschheit gebracht hatte. Ziel der Integration Westdeutschlands in den Westen war es unter anderem, die Deutschen auf Dauer vor sich selbst zu schützen und vor einem neuen nationalistischen Exzess zu bewahren. Dies war der Zusammenbruchsgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, in der das Rumpf-Reich zudem noch mit Millionen und Abermillionen Flüchtlingen aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße und dem übrigen Osteuropa vollgestopft wurde, paradoxerweise nur durch das Hegen nationaler Illusionen möglich.

Die historische Forschung hat heute nicht nur die Frage nach der Leistung Konrad Adenauers zu stellen, sondern auch die nach den Kosten, die seine Politik verursacht hat. Hierzu zählt vor allem die Kluft, die im Laufe der 50er und 60er Jahre immer größer wurde, zwischen einer recht pragmatischen und erfolgreichen Deutschland- und Außenpolitik auf der einen Seite und dem unter wachsendem Realitätsverlust leidenden deutschen Nationalismus, genährt von der Illusion einer Wiedervereinigung Deutschlands, gar in den Grenzen von 1937, auf der anderen Seite.

Heute wissen wir, daß die Wiederherstellung eines einheitlichen deutschen Nationalstaats, in welchen Grenzen auch immer, in den politischen Überlegungen Adenauers seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine zentrale Rolle gespielt hat. Im Gegenteil: Wann immer die Rede davon war, wann immer die Möglichkeit einer alternativen Lösung der Deutschlandfrage am Horizont auftauchte, hat der erste Kanzler der Bundesrepublik sämtliche ihm zur Verfügung stehenden politischen Register gezogen, um Ansätze in dieser Richtung von vorneherein zu verhindern. Die einzige Möglichkeit, die Einheit Deutschlands wieder herzustellen, wäre eine Neutralisierung Deutschlands gewesen. Wo immer dieser Gedanke auftauchte, stieß er auf den entschiedenen Widerstand Adenauers. Die Verwirklichung eines solchen Gedankens hätte nach seiner Ansicht zwangsläufig den Kreis der Sieger des Zweiten Weltkriegs um das besiegte Deutschland wieder geschlossen. Deutschland wäre auf Dauer ein Objekt der Großmächte geblieben, wirtschaftlich geknechtet, politisch und militärisch kontrolliert.

Doppelzüngige Deutschlandpolitik am Rhein

Die Einkreisung Deutschlands, der Rückfall in alte Nationalismen auf dem europäischen Kontinent, der mögliche Rückzug der Amerikaner - dies alles hätte, nach Ansicht Adenauers, Deutschland und Europa zu einer leichten Beute der Sowjetunion gemacht. Konsequenz: Nicht die Überwindung der Teilung Deutschlands, sondern deren Beibehaltung; nicht die Überwindung des Antagonismus zwischen Ost und West, sondern dessen Beibehaltung; nicht die Überwindung von Feindbildern, sondern deren Beibehaltung und Kultivierung waren die Conditio sine qua non Adenauerscher Deutschlandpolitik.

Hieraus resultierte jene doppelbödige oder auch doppelzüngige Deutschlandpolitik, deren Auswirkungen bis auf den heutigen Tag zu spüren sind. Auf der einen Seite tat Adenauer alles, um die Verhältnisse in Deutschland und Europa auf der Basis des Status quo zu stabilisieren, andererseits erweckte er in seiner deutschlandpolitischen Rhetorik den Eindruck, als sei die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in absehbarer Zeit möglich. In dieser Politik wurde Adenauer weitgehend von den westlichen Siegermächten unterstützt. Somit erklärt sich sein politischer Erfolg vor allem dadurch, daß er in den grundsätzlichen Fragen mit der Politik der drei Westmächte weitgehend übereinstimmte. Dies betrifft sowohl die Haltung in der Oder-Neiße-Frage als auch die Einstellung hinsichtlich einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.

Pflege nationaler Illusionen

Heute wissen wir, daß weder Amerikaner noch Briten oder Franzosen nach der Potsdamer Konferenz von 1945 ernsthaft an einen Wiederanschluß der Gebiete östlich von Oder und Neiße an einen einheitlichen deutschen Staatsverband geglaubt haben. Im Gegenteil: Die gemeinsam mit den Sowjets gefällten Beschlüsse über die Vertreibung der Deutschen sprechen eine deutliche Sprache. Als Adenauer im November 1951 bei einer Vertriebenenveranstaltung in Hannover den Eindruck erweckte, als sei der Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Voraussetzung für die Wiedererlangung der verlorengegangenen Heimat östlich von Oder und Neiße, wurde er von den Hohen Kommissaren scharf zurechtgewiesen. Die Bundesrepublik solle einen Beitrag zur Verteidigung Westeuropas, nicht jedoch zur territorialen Expansion in Richtung Osteuropa leisten. Briten, Franzosen und Amerikaner machten dem Kanzler klar, daß sie, wann immer sie von einer Wiedervereinigung Deutschlands gesprochen hätten, damit allenfalls den Zusammenschluß der Ostzone einschließlich Berlins mit der Bundesrepublik Deutschland und keineswegs auch der Gebiete östlich von Oder und Neiße meinten. Dies sei bislang die gemeinsame Geschäftsgrundlage gewesen und solle es auch bleiben.

Die Formel, wonach die endgültige Regelung der deutschen Ostgrenze einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben sollte, war ein geschickter rhetorischer Schachzug in schwieriger innenpolitischer Situation. Eine programmatische Deutschlandpolitik ließ sich damit ebenso begründen wie die Pflege nationaler Illusionen. Für Adenauer stand jedenfalls fest, wie er 1955 dem SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer anvertraute: „Oder-Neiße, Ostgebiete usw., die sind weg. Die gibt es nicht mehr!“

Ähnlich nüchtern schätzte Adenauer die Frage einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein. „Kann einer glauben, daß Sowjetrußland jemals, ohne dazu genötigt zu sein, die Ostzone wieder freigeben wird? Ich glaube es nicht.“ Während er Anfang der 50er Jahre immerhin noch in einer Politik der Stärke die Möglichkeit sah, die Sowjetunion zu Verhandlungen zu zwingen, schwand gegen Ende der 50er Jahre auch diese Hoffnung. 1959 stellte er vor dem Fraktionsvorstand der CDU/CSU nüchtern fest: „Wenn wir den Status quo für Berlin und die Zone behalten, haben wir für heute so gut wie alles erreicht. Wiedervereinigung - wer weiß wann!“

In einem wichtigen Dokument vom 16.Dezember 1955, das im britischen Staatsarchiv London liegt und erst vor drei Jahren freigegeben wurde, ist Adenauers Haltung in der deutschen Frage noch einmal kurz und bündig beschrieben. Über den deutschen Botschafter in London, Herwart von Bittenfeld, ließ der Kanzler der britischen Regierung mittteilen, daß er grundsätzlich gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands sei, auch dann, wenn sämtliche Forderungen des Westens hinsichtlich der innen und außenpolitischen Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung von seiten der Sowjets erfüllt würden. Konkret hieß dies, daß nicht nur die Aussicht auf ein neutralisiertes Deutschland den Kanzler schreckte, sondern auch die Möglichkeit eines westlich orientierten Gesamtdeutschlands.

„Der entscheidende Grund sei“, so heißt es in diesem Dokument, „daß Dr. Adenauer kein Vertrauen in das deutsche Volk habe. Er sei äußerst besorgt, daß sich eine künftige deutsche Regierung, wenn er von der politischen Bühne abgetreten sei, zu Lasten Deutschlands mit Rußland verständigen könnte. Folglich sei er der Meinung, daß die Integration Westdeutschlands in den Westen wichtiger als die Wiedervereinigung Deutschlands sei. Wir (die Briten) sollten wissen, daß er in der ihm noch verbleibenden Zeit alle Energien darauf verwenden werde, dieses zu erreichen. Er hoffe, daß wir alles in unserer Macht stehende tun würden, um ihn bei dieser Aufgabe zu unterstützen.“

Verständlich, daß der Kanzler großen Wert darauf legte, daß diese sehr präzise und offene Umschreibung seiner wahren deutschlandpolitischen Haltung absolut vertraulich behandelt würde, da es ansonsten „katastrophale Folgen für seine politische Position haben würde, wenn seine Ansichten, die er mir (Unterstaatssekretär Kirkpatrick) in solcher Offenheit mitgeteilt habe, jemals in Deutschland bekannt würden“.

Nun kann man also Adenauer getrost selbst zitieren, wenn man belegen möchte, was einige politische Denkmalschützer Konrad Adenauers bis auf den heutigen Tag nicht wahrhaben wollen: Adenauer wollte die Wiedervereinigung Deutschlands nicht! Sein Grund: Er hielt das deutsche Volk politisch für nicht reif und fähig genug, um erneut eine unabhängige Position in der Mitte Europas einnehmen zu können, ohne sich selbst und seinen Nachbarn erneut zu einer großen Gefahr zu werden.

Permanente Beschwörung der Gefahr aus dem Osten

Eine solche Politik, die auf die Akzeptanz der dauerhaften Teilung Deutschlands hinausliefe, war innenpolitisch verständlicherweise höchst riskant. Um dem Vorwurf des nationalen Verrats und der möglichen Gefahr eines neuen deutschen Nationalismus zu entgehen, der sich nicht nur gegen den Osten, sondern auch gegen den Westen und damit gegen Adenauers Politik der Westintegration richten würde, war die permanente Beschwörung der Gefahr aus dem Osten für das politische Überleben Adenauers absolut notwendig. Denjenigen, die tatsächlich für eine Wiedervereinigung Deutschlands eintraten, warf Adenauer - wie zum Beispiel den Sozialdemokraten - Komplizenschaft mit Moskau vor. Die SPD so der Kanzler kühn - setze „aus parteipolitischen Gründen das Schicksal Deutschlands aufs Spiel“. Sie sei „keine deutsche Partei mehr!“ Die Westintegration, so die Argumentation, war im nationalen Interesse. Wer gegen die Westintegration war, handelte national unverantwortlich. „Wiedervereinigung durch Westintegration!“ Mit dieser Formel sollten sowohl rechte wie linke Nationalisten im Zaum gehalten werden, um die Westintegration und damit die Auflösung des deutschen Nationalstaats auf Dauer abzusichern.

Außenpolitisch war die Deutsche Frage mit der Erlangung der Souveränität und dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO gelöst. Innenpolitisch wurde sie jetzt erst richtig ein Problem. Hatte Adenauer nicht immer gesagt erst Westintegration, dann Wiedervereinigung? Die Schere zwischen einer programmatischen Außen- und Deutschlandpolitik und nationalen Illusionen begann sich immer weiter zu öffnen.

Die Deutsche Frage ist also nicht, wie lange Zeit behauptet wurde, in erster Linie ein außenpolitisches Problem gewesen. Nein, sie war und ist in erster Linie ein innenpolitisches Problem. Ja, die deutsche Frage blieb deshalb so lange ein außenpolitisches Problem, weil sie ein innenpolitisches, ein Problem der Deutschen selbst war und ist, die weder willens noch bereit sind, die Folgen von Krieg und Niederlage zu akzeptieren. Dem hatte schon Kanzler Adenauer Rechnung zu tragen, wollte er weiterhin an der Macht bleiben.

Balsam für die deutsche Seele

Adenauers keckes wie kluges Taktieren zur Erlangung der Souveränität für seinen neuen Staat war Balsam für die deutsche Seele und gleichsam die aggressive Reaktion auf die tiefe Depression, in die das deutsche Volk nach der bedingungslosen Kapitulation gesunken war. Sie machte Mut, weckte Hoffnungen, versprach die Rückkehr in den Kreis der zivilisierten Völker. Das gelegentlich aufkommende ungute Gefühl, daß nicht alle Deutschen von dieser Politik profitieren würden, wurde durch die beschwörende Formel von dem brennenden Wunsch nach Wiederherstellung der Einheit Deutschlands kompensiert. So konnte eine Politik, die die Spaltung Deutschlands permanent vertiefte und verfestigte, letztlich dennoch im Interesse der Brüder und Schwestern in der Zone dargestellt werden.

Dreigeteilt niemals! Diese Formel war das politisch -propagandistische Rezept dafür. Die These, daß die Deutsche Frage weiter offen sei, klingt ein wenig weniger aggressiv, läuft aber auf dasselbe hinaus: sich der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen zu entledigen. Solange diese Zusammenhänge nicht begriffen und in ihren Konsequenzen für die gegenwärtige Politik bedacht werden, so lange wird die Gefahr bestehen, daß auf dem rechten politischen Spektrum Kräfte an Einfluß gewinnen, die aus „nationaler Verantwortung“ die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 eines Tages nicht mehr nur fordern, sondern auch aktiv betreiben wollen.

Dem können wir nur Einhalt gebieten, wenn es gelingt, die Floskeln der 50er Jahre vom „Friedensvertragsvorbehalt“, „Offenhalten der deutschen Frage“, „Wiedervereinigungsgebot“ etc. endgültig aus unserem politischen Sprachschatz zu tilgen. Daß zur Zeit genau das Gegenteil geschieht, zeigt, wie viel historische Aufklärungsarbeit auch und gerade über die Anfänge der Bundesrepublik noch zu leisten ist.

Der Historiker Josef Foschepoth ist Herausgeber und Autor des Buches „Adenauer und die Deutsche Frage“, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1988, 308S., 38,00DM