London will Vietnamesen zurückschicken

In Hongkong lebende Boat people sollen zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt werden / Im Gegenzug will Großbritannien das Wirtschaftsembargo gegen Vietnam aufheben / 30.000 Flüchtlinge betroffen / Erste Abschiebungen schon in der nächsten Woche?  ■  Aus Dublin Ralf Sotschek

Regierungsbeamte in London bestätigten gestern, daß die britische Regierung geheime Vorbereitungen zur zwangsweisen „Rückführung“ der in Hongkong lebenden vietnamesischen Flüchtlinge trifft. Der erste Transport nach Hanoi, für den ein Flugzeug von „Dragonair“ gechartert worden ist, soll möglicherweise schon in der nächsten Woche stattfinden. Von den britischen Plänen sind mindestens 30.000 Vietnamesen betroffen.

Der britische Außenminister Geoffrey Howe hatte bereits am 28. Juni mit seinem vietnamesischen Amtskollegen Ngoyen Co Tach vereinbart, daß Vietnam die „Boat people“ wieder aufnimmt. Im Gegenzug versprach Howe, das Wirtschaftsembargo gegen Vietnam aufzuheben. Die Finanzhilfe für Vietnam soll als „Wiedereingliederungsgeld“ für die Flüchtlinge deklariert werden.

Die britische Regierung hat versucht, ihre Pläne geheimzuhalten, weil sie fürchtet, daß bei Bekanntwerden ein Aufruhr unter den Flüchtlingen losbrechen werde. Viele Boat people haben bereits erklärt, daß sie eher sterben würden, als nach Vietnam zurückzukehren. Darüber hinaus erwartet London Schwierigkeiten mit der US-Regierung. Die USA lehnen die Rückführung der vietnamesischen Flüchtlinge sowie eine Aufhebung des Wirtschaftsembargos strikt ab.

In Hongkong leben über 15.000 Vietnamesen. Jeden Monat treffen Tausende der Boat people in der britischen Kolonie ein. Der Flüchtlingsstrom ist so groß wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Flüchtlinge werden in Internierungslagern untergebracht, wo bis zu 300 Menschen in einem Saal zusammengepfercht sind. Mit Eisenstangen bewaffnete Banden machen die Lage unsicher und nehmen den Flüchtlingen in vielen Fällen die letzten Habseligkeiten ab. Wegen der unmenschlichen Bedingungen sind viele Menschen in den letzten Jahren freiwillig nach Vietnam zurückgekehrt.

Seit einem Jahr müssen die vietnamesischen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Hongkong nachweisen, daß sie in ihrer Heimat aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt wurden. Diesen Nachweis konnten seitdem jedoch nur zehn Prozent führen. Der Rest wurde von den Behörden Hongkongs als Wirtschaftsflüchtlinge deklariert und wartet nun auf die Ausweisung. Die britische Regierung hat im vergangenen Monat versucht, die internationale Flüchtlingskonferenz für die Unterstützung der Rückführungspolitik zu gewinnen. Die Konferenz beschloß jedoch statt dessen, daß die Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr nach Vietnam überredet werden sollen.

Die Aufnahme der Boat people diente in Hongkong bisher als Argument dafür, daß die britische Regierung als Gegenleistung der Bevölkerung Hongkongs das Wohnrecht in Großbritannien garantieren müsse, falls das Leben nach der Übergabe Hongkongs an China 1997 unerträglich werden sollte. London hatte sich jedoch geweigert, die Hongkong-Chinesen mit regulären britischen Pässen auszustatten, weil damit auch deren Verwandte in der Volksrepublik China das Niederlassungsrecht in Großbritannien erwerben würden. Insgesamt wären das bis zu sieben Millionen Menschen - eine Zahl, die Großbritannien in Angst und Schrecken versetzt. Viele Hongkonger suchen deshalb nach Möglichkeiten, die Kolonie auf anderem Wege zu verlassen.