Finsteremotionen, Wunsch nach Auflösung

■ Der Film „Laibach - Sieg unter der Sonne“ von Goran Gajic (1988) in der Schauburg

Laibach - womm - skrupellose Avantgarde - womm Jesusstalinhitler - womm - Puls der Schwerindustrie - womm Fanatismus - womm - totalitär - womm - absolut unpolitisch womm - Hitlerjungen oder rote Brigade - womm - Trompete im Hochgebirg - womm - Laibach - womm - rabenschwarz.

Im Takt der industriellen Produktion der Stahl- und Betonwerke einer slowenischen Stadt namens Trbovlje schlägt die drummachine Laibach ihren Paukenbeat und zwingt Herzen und Systeme der Zuhörer in ihr Programm, gewaltsam, martialisch. Seit Laibach im Westen tourte (1988 im Schlachthof), nimmt die Kontroverse um die jugoslawische Gruppe mit dem provozierenden Namen, der an die Nazizeit gekoppelt ist, kein Ende.

Neuen Stoff erhält die Diskussion durch einen im weitesten Sinne „Dokumentarfilm“ zur Laibach-Frage, der unter dem Titel „Sieg der Sonne“ im Spätprogramm der Schauburg zu sehen ist. Die Gruppe stellt Ausschnitte aus ihren Konzerten gegen Reaktionen Parteioffizieller, Journalisten und Kriegsveteranen. Auch ein veritabler Philosoph darf zur Verdeutlichung des Komplexes

Laibach beitragen.

Dazwischen immer wieder die vier in Kniebundhosen, Bundschuh, Gebirgsjägermütze und Hirschhornknopf, wie sie womm...wommm - durch Hallen, Säulengänge und Straßenschluchten marschieren. Und die alles restlos vernebelnden unvermeidlichen Manifeste, vor einer Batterie von Mikrophonen der Welt oder dem Kosmos zu Gehör gebracht: „Kunst und Totalitarismus schließen sich nicht aus ... Gewalt ist nicht Ästhetik ... Die Funktion Laibachs ist erfüllt, wenn die arbeitenden Menschen ihre Maschinen abstellen ...“

Der Film beantwortet die brennende Frage der Intelligenz nicht, ob Laibach ein ironisch-provokantes Projekt ist, das sich mit allen Herrschenden und allen Tabus anlegt. Er klärt auch nicht, ob eher die Gruppe gefährdet ist durch Körperattacken ernster Kommunisten und ehemaliger Partisanen oder die ZuhörerInnen durchs Wecken von in der Tiefe schlummernden Finsteremotionen, deren Konnotationen beunruhigen und beängstigen. Film wie Musik und Show von Laibach konfrontieren die Zuhörer/schauerInnen mit sorgfältig verschütteten Psychostrukturen wie

etwas totalitären Sehnsüchten, Wunsch nach Auflösung, kristalliner Makrostruktur. Denkbar wäre zwar, daß neurechte Jugendliche und Skins sich bei Laibach gut angenommen fühlen, doch trotz aller Beschwörungen erzeugt Laibach kein (Aktions)Programm, sondern eine Imagination bei jeder der ausgeklügelten Bühnenshows mit martialischer Lichtregie, gewalttätigem

Infraschall, abgefeimter Choreographie und all den wahllos zusammengerafften Schwersymbolen - Kreuz und Zahnrad, Hirschgeweih, Uniformteile, heldische Gestik/Mimik konstruiert sich ein stampfender und schreiender Komplex aus Schweiß und Leder, nackten Oberkörpern und gewaltsam geführtem Publikum, in einer exzessiven Messe vollzieht sich

Katharsis, das Dumpfe findet Bühne und Begriffe.

Laibach ist eine Jugendbewegung, eine Form des Punk, die aus der Energie lebt, die man aus der Gefahr gewinnen kann: „Wir schwarze Seelen der Welt / singen über verzerrte Bilder“, sagt Laibach über seine Realität, die Realität eines gewissen Teils der jugoslawischen Jugend. Und zwischen Sehnsucht und Beschwö

rung stampft es: „Ein Mensch / ein Ziel / ein Blut / eine Rasse / ein Traum / und ein straker Wille: ja-woll-ja“.

PS: Die werbende Wirtschaft ist schneller. Schwitzende Jungmänner in dampfiger Maschinenhalle mit sparsamen Lichtfingern erleuchtet: „Arbeit“ - dunkle Schöne schweben durchs Gerümpel: „Tanz“ - ein greller Farbfleck: „Eis“. Dröhnender Maschinenrhythmus auch im Vorprogramm: Reklame für Warncke-Eis. Frei nach Laibach. Burghard Straßman