„Wir müssen jetzt alle umdenken“

■ Interview mit Irmelin Schachtschneider nach dem Verbot ihres Berufsverbots

Am Donnerstag abend kippte das Lüneburger Oberverwaltungsgericht das Berufsverbot gegen die Oldenburger Lehrerin Irmelin Schachtschneider (vgl. Seite 1). Nach drei Jahren Suspendierung vom Dienst wegen ihrer Landtagswahl-Kandidatur für die DKP kann sie nach den Sommerferien wieder Latein und Deutsch unterrichten.

taz: Gibt es Dir ein Gefühl der Genugtuung, nach so vielen Jahren jetzt Recht zu bekommen?

Irmelin Schachtschneider: Recht ist vielleicht doch nicht ganz das richtige Wort, weil ich schon weiter darum kämpfe, daß alle Berufsverbote ersatzlos gestrichen werden. Aber daß ich nach den Sommerferien wieder in meine Schule zurückkehren werde - entgegen den fortdauernd geäußerten Erklärungen der Landes-und Bezirksregierung, die mich aus dem Dienst entfernen wollten, das erfüllt mich natürlich schon mit Befriedigung. Die sind mit ihrer Position 'jeder, der für die DKP kandidiert, der fliegt‘ jetzt endgültig gescheitert.

Du wirst auf Deinen alten Arbeitsplatz zurückkehren, aber mit weniger Gehalt.

Das ist in gewisser Weise ein Kompromiß. Das Gericht hat sich noch nicht entschließen können, grundsätzlich die Berufsverbote-Praxis zu beenden und mich von der Oberstudienrätin zur Studienrätin degradiert. Aber ich persönlich hänge nicht an solchen Titeln.

Das Gericht hat ausdrücklich die Einzelfallprüfung verlangt. Insofern muß auch das Berufsverbot gegen meinen Mann erneut erörtert werden. Auf jeden Fall muß aber sofort seine Suspendierung vom Dienst beendet werden.

Du mußtest vor dem Gericht stundenlang über Deine politischen Überzeugungen Auskunft geben. Wie bist Du Dir dabei vorgekommen?

Eigentlich ist es in einem demokratischen Staat unwürdig, in dieser Weise verhört zu werden, einer Art Gesinnungs-TÜV unterzogen zu werden. Auf der anderen Seite fand ich es nach den deprimierenden Erfahrungen beim Oldenburger Gericht, wo der Richter sich für gar nichts interessierte, durchaus auch mal eine Chance, wirklich sagen zu können, wie man bestimmte Dinge sieht - vor dem Gericht und natürlich auch vor den Zuschauern.

Hat die neue Atmosphäre vor Gericht auch damit zu tun, daß die DKP sich geändert hat?

Natürlich, ich stehe ja sehr stark in den Diskussionsprozessen und es ist meine feste Überzeugung, daß wir alle umdenken müssen, auch in der DKP.

Du empfindest das Lüneburger Urteil nicht als Belohnung für parteischädigende Offenheit?

Überhaupt nicht. Ich finde Meinungsstreit auch in der DKP sehr wichtig. Nur so kann man zu neuen Erkenntnissen kommen. Darin sehe ich überhaupt keine Parteischädigung. Damit überwinden wir eine gewisse Stagnation.

Wurde Dir in der Schule ein Platz freigehalten?

Ja, der Platz ist noch frei, denn ich war ja noch nicht endgültig aus dem Dienst entfernt. Ich gehe schon davon aus, daß ich an meine alte Schule zurückkehre. Da steht auch noch meine Kaffeetasse, die habe ich bewußt dort gelassen.

Fragen: Dirk Asendorpf