Lange Leitung im Senat

Der Stromvertrag kommt - erst mit den Strommasten kommen auch die Proteste  ■ K O M M E N T A R

Der Schaden, den der Stromlieferungsvertrag anrichten kann, ist nicht von Pappe. Doch vorerst bleibt er, genauso wie das neue Rechtsgutachten, ein unscheinbarer Haufen Papier. Umweltpolitische Weichenstellungen klingen häufig umso abstrakter, je gravierender sie letztlich sind. Sinnlich ist das nicht ohne weiteres nachvollziehbar, doch der Stromvertrag ist keineswegs, wie das selbst Mitglieder des rot-grünen Senats behaupten, „ökologisch sinnvoll“. Im Gegenteil: 20Jahre lang bleibt er nun Berlins Beitrag zur Klimakatastrophe.

Weil die westdeutschen Kraftwerke in der Regel keine Fernwärme abgeben, wird dort für den selben Energienutzen weit mehr Schaden angerichtet, als in den mitten im Stadtgebiet gelegenen Berliner Kraftwerken - viel mehr Schaden erst recht, als in den überaus rationellen Blockheizkraftwerken. Es werden mehr Schadstoffe freigesetzt, zwei- bis dreimal mehr vor allem von dem Treibhausgas Kohlendioxyd, als es für diese Energieausbeute zwingend wäre - von den Leitungsverlusten, die beim Stromtransport entstehen, ganz zu schweigen. Neben den Millionenbeträgen, die in Berlin nun für eine ökologische Energiepolitik verloren gehen, ist das der Hauptnachteil des Vertrages. Der Senat kann ihn nicht ausgleichen, denn der Stromvertrag verpflichtet die Bewag, jährlich mindestens 825 Millionen Kilowattstunden abzunehmen.

Wer die lange Leitung ernsthaft als Fortschritt vertritt, der hat selber eine. So gesehen hätten sich in der Stadt eigentlich massive Proteste gegen die Trasse regen müssen. Doch die bleibt vorerst abstrakt. Das kann sich bald ändern. Denn das Rechtsgutachten verpflichtet den Senat, auch beim Trassenbau auf die „Preiswürdigkeit“ zu achten. Soll die Leitung nicht zu teuer werden und dennoch einigermaßen ökologisch bleiben, dann dürfen sich die Spandauer darauf einstellen, daß ihnen der Senat bald Strommasten vor die Nase setzen wird - zumindest im Spandauer Forst. Den Stromvertrag muß der Senat offenbar akzeptieren; ob er die Proteste gegen die Strommasten durchsteht, muß sich erst noch zeigen.

Hans-Martin Tillack