Bald auch kein Kopilot mehr?

Zivilluftfahrt vor Turbulenzen / Studie der Internationalen Arbeitsorganisation prognostiziert für die kommenden Jahre stark steigenden Konkurrenzdruck vor allem auf den pazifischen Strecken  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Streiks von Flug-und Bodenpersonal, überlastete Flughäfen von Heathrow bis Mallorca, durch Verspätungen bedingte Wartezeiten bis zu 30 Stunden - schon in diesem Sommer ist Fliegen für viele Urlauber alles andere als ein Vergnügen. Doch die „Unruhen in der Zivilfahrt“ werden in den nächsten zehn Jahren noch zunehmen, prognostiziert die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) in Genf in einer diese Woche vorgelegten Studie. Besonders betroffen wird Westeuropa und darin wiederum der EG-Raum sein. Vor allem in dieser Region wird es nach Erwartung der IAO zu verschärftem Wettbewerb sowie wachsender Privatisierung und auf Grund dessen zu Deregulierungen bei Arbeitszeiten, Löhnen und Sozialleistungen kommen.

„Marktanpassungen“ also, wie sie in den letzten zehn Jahren in den USA bereits vollzogen wurden. Sie dürften auch in Westeuropa zu verstärkten Arbeitskämpfen mit entsprechenden Behinderungen des Luftfahrtverkehrs führen. Die bereits durch die Aufhebung der Ticketpreisbindung in Westeuropa erfolgte Verschärfung des Wettbewerbes, die mit dem Binnenmarkt ab 1993 noch zunehmen wird, zwingt die Fluggesellschaften nach Einschätzung der IAO zu Einsparungen bei den Arbeitskosten. Treibstoffpreise und andere Ausgabenfaktoren sind weitgehend ihrer Kontrolle entzogen. Eine neue Struktur des Arbeitsentgeltes für die Beschäftigten der Airlines deutet sich bereits an, nach der die tarifliche Grundgehaltskomponente abnehmen und der Anteil von Prämien und anderer leistungsbezogener Ausgleichszahlungen zunehmen werden. Die Gewerkschaften werden unter Druck geraten, hier genauso Zugeständisse zu machen wie bei den Arbeitszeiten. Durch das im Vergleich mit anderen Strecken rascher anwachsende Verkehrsvolumen in Verbindung mit Asien wird es zu einem heftigen Wettbewerb um den Markt im pazifischen Raum kommen. Die dadurch bedingte Zunahme an direkten Langstreckenflügen wird zu längeren Arbeitszeiten für Piloten und StewardEssen führen.

Auch die Konkurrenz um weltweite Marktanteile wird sich besonders bei den westeuropäischen Airlines als Druck zur Rationalisierung und Senkung der Arbeitskosten auswirken. Denn die von der IAO bis zum Jahr 2000 prognostizierte jährliche Zuwachsrate bei den Flugpassagieren liegt im weltweiten Durchschnitt bei 5,3 Prozent, im asiatischen und transpazifischen Verkehr jedoch bei sieben Prozent und in Europa sowie auf der Nordatlantikroute nur bei unter fünf Prozent. Zwar entstehen derzeit verschiedene Gruppen von jeweils zwei oder drei westeuropäischen Fluggesellschaften (z. B. Die belgische Sabena und British Airways). Sie schließen zumindest ihre zu weltweitem Marketing einsetzbaren computergestützten Reservierungssysteme zusammen, und in einzelnen Fällen geht die Kooperation noch weiter. Doch im Kampf um die lukrativen Strecken mit den größeren Zuwachsraten, die heute schon von den fernöstlichen Niedrigkosten-Gesellschaften dominiert werden, dürften die teureren westeuropäischen Unternehmen ohne eine Senkung ihrer Ausgaben kaum bestehen können. Schließlich werden sich weitreichende Computertechnik und Automation noch deutlicher als bislang auswirken. In den letzten Jahren wurde bereits der Flugingenieur auf vielen Flügen abgeschafft und die Cockpitbesatzung auf Kurzstrecken- und sogar schon auf einigen Langstreckenflügen von drei auf zwei Personen reduziert. Die Automation der Wartungsarbeiten verringert die Zahl der erforderlichen Mechaniker. Die Ersetzung des Kopiloten durch Computertechnik zumindest auf bestimmten Flügen ist, so die IAO-Studie, nur noch eine Frage der Zeit.