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■ Französische Computerindustrie: Wer mit eigenen Produkten eher glücklos operiert, muß Firmen akquirieren

Auf den diesjährigen Hannovermessen „CeBit“ und „Industrie“ galt es noch als Branchentratsch. Doch spätestens seit der Übernahme des führenden Halbleiter-Herstellers INMOS Anfang Juli ist es besonders für die US-amerikanischen und japanischen Computerhersteller zur Gewißheit geworden: Die französische Computerindusrie ist auf dem Vormarsch. Bis 1992 soll eine effiziente „force de frappe“ in Sachen High -Tech für den europäischen Binnenmarkt rekrutiert sein.

Europoly zu zwölft

einer wird gewinnen

Die Einwerber sind bereits unterwegs und insbesondere in der Bundesrepublik tätig geworden. 1988 haben sich die Manager aus der Grande Nation nach Insider-Informationen rund 50 bundesdeutsche Unternehmen, überwiegend aus dem High-Tech -Bereich, einverleibt. Die Übernahme-Methoden waren dabei nicht immer vom Feinsten, machen aber in strategischer Hinsicht durchaus Sinn.

So wurde die SGS Thomson Microelectronics BV durch die Übernahme von INMOS zu Europas größtem Halbleiterhersteller für Mikrochips auf Metalloxid-Basis und konnte zudem endlich in die Reihe der Monopolisten einrücken. Denn mit INMOS kaufte sich der gallische High-Tech-Multi nicht nur einen bedeutenden Halbleiter-Hersteller, sondern sicherte sich damit auch sämtliches Know-How über Transputer-Bausteine für die superschnelle parallele Datenverarbeitung.

In diesem Bereich hat Thomson viel vor. „SGS Thomson hat die notwendigen personellen Ressourcen und finanziellen Mittel, um den Transputer zum weltweit dritten Mikroprozessor-Standard zu machen“, versucht SGS-Thomson -Chef Pasquale Pistorio die Monopolstellung als Segen für die auf Standards bedachte Comptuerindustrie schönzufärben. Den dritten Platz hinter der amerikanischen Chipmafia Intel und Motorola zu besetzen - darauf ist Pistorio letztlich scharf. Die Chancen dafür stehen gut. Denn die 32-Bit -Prozessoren, zur Zeit die aktuelle Mikrochip-Generation, weist rasante Zuwachsraten auf. Bereits 1994 wird der Anteil der „32-Bitter“ nach einer Marktstudie von Infocorp mehr als die Hälfte aller verkauften Mikroprozessoren ausmachen. Und 1998 sollen es satte achtzig Prozent sein.

Nationale Ressentiments

europäische Toleranz

Der ab 1992 verpflichtende EG-Patriotismus kommt da ganz gelegen. Die immer bedrohlicher werdende Konkurrenz aus Fernost und Nordamerika zu beschwören, ist ja längst rhetorische Pflichtübung der Europa-Politiker. „Der Europäischen Gemeinschaft geht es darum, den spezifisch europäischen Mehrwert in Forschung und technologischer Entwicklung zu kreieren und anzureizen, um der europäischen Industrie nach außen die Wettbewerbsstärke geben zu können, die wir eigentlich benötigen, um der amerikanischen und japanischen Konkurrenz entgegentreten zu können“, vertritt Dr.Ernst Bock von der EG-Kommission für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung etwas langatmig den EG-Standpunkt. Und das geht nicht ohne enge Kooperation der europäischen Industrieunternehmen. So werden Übernahmen und Fusionen so hemmungslos vollzogen, daß selbst bei eingefleischten Marktwirtschaftlern der Eindruck entsteht, die ohnehin schon marktbeherrschenden Companies würden die Binnenmarkt -Euphorie zu unkontrolliertem Wachstum nutzen.

Die hohe Europapolitik im Elyssee-Palast läßt's gern geschehen, glaubt die französische Regierung doch, damit die Unabhängigkeit der eigenen Computerindustrie befördern zu können. Als 1988 nämlich Speicherbausteine knapp waren, gerieten die Computerhersteller ins Schleudern.

Jean-Claude Lavenier, Generaldelegierter des Verbandes französischer Hersteller von Telekommunikationsanlagen und -geräten, sah gleich den nationalen Notstand in greifbarer Nähe. Für ihn führt, wie er gegenüber dem Branchenblatt 'Markt & Technik‘ hervorhob, die französische High-Tech -Industrie „einen entschlossenen Kampf für die Existenz gesunder und innovationsfähiger Unternehmen und gegen ungleiche Konkurrenz aus Ländern, die weder in Bezug auf Lebensstandard noch Menschenrechte ihren Arbeitnehmern ein in Europa selbstverständliches Umfeld bieten können“. Sein Fazit: „Wachsende Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der zwölf Mitgliedsländer.“

Die französische Computerindustrie hat denn auch längst mit der Europäisierung der besonderen Art begonnen. Sie kauft ein, besonders gern in der Bundesrepublik. Goupil, Hersteller von schicken Personal Computern mit Sitz in Paris, war mit den Leistungen seines deutschen Distributors so zufrieden, daß die Leuwico GmbH gleich in die Goupil -Bestände genommen wurde. Merlin Gerin leistete sich den mittelständischen Komponenten-Hersteller Wickmann, und Matra Communication wildert noch immer bei Herstellern von Endgeräten für die Telekommunikation.

Mit der wirtschaftlichen Leistungskraft deutscher High-Tech -Firmen sind französische Manager durchaus zufrieden. Und die Bemühungen um Arrondierung der Geschäftsbereiche sind verständlich: Je mehr Know-How und Marktnischen zugekauft werden können, desto wirksamer kann der Konkurrenz, natürlich auch der innereuropäischen, Marktanteil für Marktanteil genommen werden. „Dieser Trend wird weitergehen“, prognostiziert Handelsrat Pierre Levy, stellvertretender Leiter der französischen Handelsdelegation in Köln. „Wir führen täglich mit vielen französischen Unternehmern Gespräche, die entsprechende Kooperationspartner in Deutschland suchen“, beschreibt er vorsichtig den Trend zur Übernahme.

L'ordinateur personel - made in Korea

Bei allen Fusions- und Übernahmeaktivitäten französischer Unternehmen verwundert nur eines: Das Herstellen der eigentlichen „Endgeräte“ moderner Büro- und Telekommunikation, der Computer selbst, wird mit wenigen Ausnahmen noch immer asiatischen und US-amerikanischen Firmen überlassen. Zwar wagte Branchenriese Thomson in den Jahren 1986/87 zaghafte Vorstöße, mit Home Computern den Consumer-Markt zu erobern, mußte jedoch ob des bereits aufgeteilten Marktes schnell aufgeben. Auch im Marktsegment der Computermonitore ist den Franzosen wenig Glück beschieden. Durch die Zukäufe der letzten Zeit hat Frankreichs Computerindustrie jedoch wirksam darauf reagiert. Denn wer mit eigenen Produkten eher glücklos am Massenmarkt operierte, der ist auf „feindliche Übernahmen“ angewiesen. Der politisch-industrielle Komplex in Frankreich verlangt es einfach.