Wiener Polizei weiß „nichts“

■ Hintergründe des Kurdenmordes nach wie unklar / Österreichs Außenminister Mock nennt Beteiligung Irans wahrscheinlich / Wiener Polizei gibt widersprüchliche Erklärungen ab und ermittelt in alle Richtungen

Berlin/Wien (taz/afp) - Auch eine Woche nach dem Anschlag, bei dem drei kurdische Politiker getötet und ein iranischer Diplomat verletzt wurden, tappt die Wiener Staatspolizei noch völlig im dunkeln. Die beiden Iraner, gegen die Mittwoch ein Haftbefehl ausgestellt wurde, befinden sich immer noch auf freiem Fuß. Der eine, ein mutmaßlicher iranischer Geheimdienstagent namens Amir Mansur Bosorgian, der sich während des iranisch-kurdischen Geheimtreffens vor dem Ort des Geschehens aufhielt, sitzt nach wie vor in der iranischen Botschaft. Das bestätigte Dr. Neveral aus der Abteilung I der Wiener Staatspolizei gegenüber der taz. Von dem anderen, bei dem es sich um Mustafa Hadschi alias Hadschifadi handeln soll, fehlt weiterhin jede Spur.

Wie ein Polizeisprecher am Freitag in Wien erklärte, lehnt der Iran die Übergabe des Gesuchten an die Behörden ab. Botschafter Shirazi sagte in einem Interview, der ungerechtfertigte Haftbefehl müsse zurückgenommen werden. Am Vortag hatte ein Beamter des iranischen Außenministeriums erklärt, die Regierung in Wien habe entweder innenpolitische Gründe für die Haftbefehle, oder sie versuche, die Unfähigkeit der österreichischen Polizei zu vertuschen. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn gesucht werden die beiden lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung. Dennoch sprach ein Polizeisprecher gestern laut Agenturberichten von „einem tatverdächtigen Iraner“. Derartige Widersprüche vermehren nur die Zahl der Fragezeichen, die sich angesichts der Ermittlungen stellen. Abgesehen von den Haftbefehlen ist die Wiener Polizei offenbar auf dem gleichen Stand wie vor einer Woche. Bereits am Tag nach der Tat wußte sie vor allem eins, nämlich daß es keine Hinweise auf die Beteiligung ausländischer Geheimdienste gibt. Ungeachtet des offensichtlich politischen Hintergrundes des Mordanschlags hielt Neveral gestern diese Aussage nach wie vor für gültig. „Wir wissen nichts. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, daß Geheimdienste beteiligt sind“, sagte Neveral. Die Ermittlungen würden in alle Richtungen geführt. Offensichtlich, so kann man nur schlußfolgern, gibt es für die Staatspolizei überhaupt keine Anhaltspunkte für irgendwas - aber auch nicht gegen irgendwas. Nur schweigt man sich darüber, vielleicht aus Gründen der politischen Rücksichtnahme, lieber aus.

Der österreichische Außenminister Alois Mock ist da anderer Ansicht. Er vertritt die Auffassung, daß der Iran die Kurden vermutlich in einen Hinterhalt gelockt habe. „Die iranische Reaktion ist eine Schweinerei“, sagte Mock hinsichtlich der Weigerung der Botschaft, den Gesuchten herauszurücken. Es gebe keine Möglichkeit, vom Iran zu erreichen, daß der Mann ausgeliefert wird, sagte Mock. Dies läßt sich auch so auffassen, daß man gar nicht erst versuchen möchte, den Iran unter Druck zu setzen. Es wäre nicht das erste Mal, daß Ermittlungen stillschweigend versickern, um unliebsame diplomatische Konflikte zu vermeiden. So, wie es 1987 in der BRD geschah, als der aus dem Iran geflüchtete Privatpilot von Parlamentspräsident Rafsandschani in Hamburg erschossen wurde.

B.S.