Kasse zahlt Abtreibung nicht

■ Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse will „deutlich Stellung beziehen“ Baden-württembergisches Sozialministerium erwägt Anordnung - und erwägt und erwägt

Berlin (taz) - Dürfen Krankenkassen sich weigern, Abtreibungen aufgrund der sozialen Indikation zu bezahlen? Neue Nahrung hat dieser anhaltende Streit in Baden -Württemberg erhalten, wo die „Christdemokraten für das Leben“ seit langem gegen die Krankenkassenfinanzierung der Abtreibung zu Felde ziehen. Wie jetzt erst bekannt wurde, hat die Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse in Karlsruhe bereits Ende vergangenen Jahres beschlossen, ab 1989 keine Abbrüche auf Notlagenindikation hin mehr zu bezahlen.

Diese Entscheidung muß hoffentlich rückgängig gemacht werden. Denn im baden-württembergischen Sozialministerium sieht man die Krankenkassenfinanzierung sozial indizierter Abtreibungen gesetzlich eindeutig geregelt, wenn sie vorschriftsmäßig durchgeführt wurden. Es gebe dabei „keinerlei rechtlichen Interpretationsspielraum“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Politik, so sieht es Geschäftsführer Alexander Schulze, wollte die Vertreterversammlung der Badischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht machen, als sie im Dezember vergangenen Jahres die Finanzierung der Notlagenindikation im Haushaltsplan 1989 sperrte. Allerdings deutlich Stellung beziehen, ohne dabei „Betroffene an den Pranger zu stellen“.

So heißt es in einem Schreiben, das der Vorstandsvorsitzende der Kasse nach der Beschlußfassung an das Landesaufsichtsamt schickte: Es sei „mit den Pflichten des Staates zum Schutze des Lebens unvereinbar“, Krankenkassen zur Bezahlung von Abbrüchen auf soziale Indikation hin zu verpflichten. Die Möglichkeiten des Mißbrauchs ließen daran zweifeln, ob „die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Schwangerschaftsabbruchs dem Verfassungsgebot zum Schutze des Lebens genügen“. Das menschliche Leben sei höchster Wert der Verfassung, die soziale Indikation rechtswidrig.

Wahrscheinlich wäre dieser Beschluß sang- und klanglos durchgegangen - wie bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Unterfranken, die seit Jahren unbeanstandet keine sozial indizierten Schwangerschaftsabbrüche mehr bezahlt. Doch Anfang dieses Jahres erhob ein Mitglied der badischen Kasse gegen die Entscheidung Klage, die SPD -Fraktion brachte im Landtag dazu eine Anfrage ein. Im Mai forderte das Sozialministerium die Kasse auf, ihren Beschluß noch einmal zu überdenken. Er wurde jedoch Mitte Juli von der Vertreterversammlung bestätigt. Das Sozialministerium kann nun das Landesaufsichtsamt anweisen, mit der Kasse die Frage noch einmal zu erörtern. Hält diese an ihrer Entscheidung fest, steht eigentlich ein Verpflichtungsbescheid an.

Zu konkreten Schritten hat sich das Sozialministerium allerdings noch nicht entschlossen. Die Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse sieht der Entwicklung „gelassen“ entgegen und wünscht sich eine „klare Entscheidung von oberer richterlicher Stelle“. Ulrike Helwerth