Prima leben unterm Stiefel

Montagsexperten kommen zu Wort: Enno Bohlmann  ■ Ü B E R L E B E N S B Ö R S E ‘ 8 9

Wo Schönhuber recht hat, hat er recht. Er hat den Attentatsversuch auf Hitler am 20.Juli 1944 als das bezeichnet, was er war: ein Putsch. Diese schlichte Tatsache, deren Erwähnung regelmäßig betriebsame Aufregung hervorruft, ist durch das harmoniebedürftige Streben, ideelle Gesamtwiderstandshelden zu besitzen, längst zugekleistert worden. Der 20.Juli wird so zum Höhepunkt des deutschen Widerstands. Mit kaum noch zu überbietender Unverschämtheit hat das die Familie derer von Stauffenberg im Bewußtsein ihrer Unantastbarkeit in einem Brief an Walter Momper zur Ausstellungseröffnung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ klar gemacht - mit aufschlußreicher Offenheit.

„Das Selbstverständnis des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus“ habe sich „vornehmlich im Attentatsversuch des 20.Juli manifestiert“. Die Betonung liegt hier wohl auf „vornehmlich“, weil das von „vornehm“ kommt. Deutscher Widerstand, so erfahren wir weiter, kann aber nur dann deutsch sein, wenn er kommunistenfrei ist. Darum bekommen das „Nationalkomitee Freies Deutschland (NFKD)“ und der „Bund Deutscher Offiziere (BDO)“ nicht das stauffenberggeprüfte Echtheitssiegel und soll aus der Ausstellung im Bendlerblock verschwinden. Beweise? Kaum ein Gegner des Nationalsozialismus habe sich diesen Gruppierungen angeschlossen, „es sei denn, er war schon Kommunist“. Kommunisten haben nun mal nicht für die rechte Sache der Militärkaste gekämpft und erhalten Widerstandsverweis. Das hat nun wiederum Marion Gräfin Dönhoff in Rage gebracht. Nicht das mit den Kommunisten, das wäre sicher d'accord, aber die Vorwürfe gegen das NFKD und den BDO wurmen sie dermaßen, daß sie in ihrer 'Zeit‘ per Leitartikel deren Ehre rettet, was vornehmlich damit zu tun hat, daß unter den Ehrverletzten Blaublütige waren. Denn Desertation (so einer der Vorwürfe gegen NKFD und BDO) vermag die ostpreußische Jammermarion auch nicht so recht als Widerstand anerkennen. Beim Deserteur - so ihr finaler Argumentationsstrang - wisse man ja einfach nicht, „ob er in bewußtem Widerstand handelte oder aus Angst, vielleicht auch nur, weil er einfach nach Hause wollte“. Desertation ist vielleicht kein Widerstand, aber bei weitem ehrenvoller als dem Faschistenstaat in führenden Militärposition so lange zu dienen, bis die Niederlage absehbar war, um dann erst unloyal zu werden. Andererseits ist es natürlich obszön, einen aufrechten Deserteur mit Hitleroffizieren zu vergleichen.

In einer anderen, viel wichtigeren Frage sind sich die von Stauffenbergs und die von Dönhoffs allerdings einig: echten Widerstand geleistet (!) hat nur der, der dies „unter Einsatz seines Lebens“ (Dönhoff) tat, beziehungsweise der „persönliche Risiken bewußt in Kauf genommen“ hat. Hier spricht das Offizierskasino, das sich selbst zu gern als Märtyreransammlung sieht. Weitere Übereinstimmung: Widerstand (also der echte deutsche) kämpfe für die „Wiedergewinnung des Rechts“ (Dönhoff), beziehungsweise „für das Recht um des Rechtes willen“. Trotz der inneradeligen Meinungsverschiedenheit scheint eins sicher zu sein: der deutsche Adel und besonders sein Militärflügel war eine einzige Widerstandsbastion.

Dieses besinnungslos grassierende Heiligsprechungsgeschwätz dürfte seit dieser Woche nun endgültig nicht mehr aufzuhalten sein. Trotzdem einige sachdienliche Hinweise: Die maßgeblichen Militär- und Funktionärskreise hatten bei Attentatserfolg die Errichtung einer ständestaatlichen Ordnung vorgesehen. Die Oberklasse trat nicht „für das Recht um des Rechtes willen“ oder sonstiger Groschenromanideen in Aktion, sondern weil sie wußten, daß spätestens seit '42/43 alles den Bach runterging und somit auch ihre Interessen, die mit dem faschistischen Eroberungskrieg verbunden waren. Vom Umsturz erhofften sie sich annehmbare Friedensbedingungen herausschlagen zu können, die ihnen die militärisch eroberten Gebiete größtenteils sicherten und die Hegemonialstellung des Deutschen Reiches festschrieb.

In Verkennung dieser Realitäten plappert die Adelsbande munter drauflos und heftet sich einen Tapferkeitsorden nach dem anderen an die Brust. Warum kann unser Adel keiner nützlichen Arbeit nachgehen, um derart von solchen Anfällen von Daseinsberechtigungsnachweiszwang verschont zu bleiben.